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Bürgergeld als Mogelpackung
Kaum hatten die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP begonnen, ging deren finanzpolitischer Sprecher Hermann Otto Solms mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit, Hartz IV durch ein Bürgergeld in Höhe von 662 Euro zu ersetzen. Damals wurde den Menschen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe versprochen. In Wirklichkeit jedoch wurde mit der Arbeitslosenhilfe das Prinzip der Lebensstandardsicherung für Langzeitarbeitslose abgeschafft und das Arbeitslosengeld II eingeführt – das eigentlich Sozialhilfe II heißen müsste, weil es höchstens das Existenzminimum abdeckt.
Heute ist von einer Zusammenfassung aller steuerfinanzierten Sozialleistungen die Rede. Angeführt werden in diesem Zusammenhang das Arbeitslosengeld II, das Sozialgeld, die Sozialhilfe, die Grundsicherung im Alter, der Kinderzuschlag und das Wohngeld, obwohl auch das Kindergeld und das Elterngeld in denselben Kontext gehören. Zu befürchten steht, dass alle genannten Sozialleistungen abgeschafft würden, sollte die CDU/CSU der FDP-Forderung nachgeben.
Wer – wie die FDP – auf die deutsche Sozialversicherung am liebsten verzichten würde und sämtliche Versicherungszweige möglichst umgehend privatisieren möchte, will den bestehenden Wohlfahrtsstaat durch das Bürgergeld nicht etwa sinnvoll weiterentwickeln, sondern auch noch das unterste soziale Netz zerreißen. Wenn (fast) alle bisherigen Transferleistungen in einem Bürgergeld aufgingen, hätten Neoliberale ihr Ziel erreicht, das traditionsreiche deutsche Sozialversicherungssystem zu zerstören, und könnten den Systemwechsel noch dazu als Wohltat für die Bedürftigsten hinstellen.
Eine sozialpolitische Mogelpackung und kein lang ersehnter Befreiungsschlag für die Armen in Deutschland ist das Bürgergeld besonders dann, wenn sein Zahlbetrag auf oder sogar unter dem Hartz-IV-Niveau liegt. Dass pauschalierte Leistungen wie das Bürgergeld dem Einzelfall nicht immer gerecht werden, zeigt die spürbare Benachteiligung von ALG-II-Empfängern mit vielen Kindern durch den Wegfall einmaliger Beihilfen (etwa für die Reparatur oder die Neuanschaffung einer Waschmaschine) am 1. Januar 2005. Weil das Bürgergeld streng an der Bedürftigkeit einer Person ausgerichtet ist, sich gegen Mindestlöhne richtet und die »Lohnflexibilität nach unten« erhöhen soll, damit auch Geringqualifizierte mit seiner Hilfe von »marktgerechten Löhnen« leben können, vermehrt es die Armut von prekär Beschäftigten. Denn sie müssen sich vom Staat alimentieren lassen, während er das Lohndumping von Unternehmen mit Steuergeldern subventioniert.
Sowenig eine Kopfpauschale im Gesundheitssystem, wie sie die FDP fordert, der unterschiedlichen finanziellen Leistungsfähigkeit von Krankenversicherten gerecht würde, sowenig eignet sich das Bürgergeld, um die Wohlstandskluft in der Gesellschaft zu schließen. Letztlich würde das Bürgergeld als Kombilohn für alle wirken. Weil das Existenzminimum seiner Bezieher gesichert wäre, könnten diese noch schlechter entlohnte Jobs annehmen. Den Unternehmen würden dadurch mehr preiswerte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, die Gewinne würden noch stärker steigen.
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