Probejahr wackelt

Zöllner erwägt Änderung der Schulreform

  • Lesedauer: 3 Min.

(dpa). Der rot-rote Beschluss für ein Probejahr am Berliner Gymnasium bröckelt. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) teilte am Montag mit: »Auch die Einführung eines Probe-Unterrichts anstelle eines Probejahres ist eine überlegenswerte Variante.« Zuvor hatte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Felicitas Tesch, angeregt, die Regelung zu überdenken, der die Linksfraktion ohnehin nur widerstrebend zugestimmt hatte. Damit würde beim Zugang zum Gymnasium Leistung stärker bewertet und nicht wie bislang geplant zunächst der Elternwille den Ausschlag geben.

Eine Abkehr vom Probejahr könnte auch Auswirkungen auf den umstrittene Plan haben, Plätze an begehrten Schulen zu verlosen. Die Opposition sprach aufgrund der neuen Bewegung in der Koalition von einem ständigen Hin und Her und warfen Rot-Rot vor, von einem Extrem ins andere zu schwanken.

Nach dem bisherigen Plan des Senats werden vom nächsten Schuljahr an schrittweise die Haupt-, Real- und Gesamtschulen durch sogenannte Sekundarschulen ersetzt. An begehrten Gymnasien und Sekundarschulen entscheidet über 30 Prozent der Plätze das Los – unabhängig von der Leistung, auschlaggebend ist der Elternwille. Damit soll eine soziale Durchmischung am Gymnasium erreicht werden. Wer aber als Neuling am Gymnasium im Probejahr keinen Erfolg hat, muss auf die Sekundarschule wechseln. Gäbe es stattdessen einen Probeunterricht, kämen möglicherweise weniger schwache Schüler ins Losverfahren.

Zöllner betonte am Montag noch einmal »die Bedeutung des Elternwillens und der fairen Chancen für alle Kinder«. Die Lösung des Senats bringe diese abgewogen zur Geltung. Zöllner sagte aber auch, es seien verschiedene Möglichkeiten denkbar, und dass er Zustimmung über die Grenzen der Koalitionsparteien hinaus wünsche.

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Felicitas Tesch, sagte nach einer Expertenanhörung über den umstrittenen Plan für den Zugang zum Gymnasium: »Alle Experten haben gesagt, dass sie von einem Probejahr am Gymnasium nichts halten.« Sie fügte hinzu: »Ich persönlich war immer dagegen. Wir müssen darüber diskutieren.« Tesch sagte, sie vertrete ihre persönliche Meinung. Einen Bericht des »Tagesspiegels« (Montag), nachdem das Probejahr in den rot-roten Regierungsfraktionen nicht mehrheitsfähig sei, wies sie zurück. Der Zeitung zufolge stehen alternativ verschärfte Zugangskriterien zur Debatte, etwa ein mehrtägiger Probeunterricht, ein Numerus Clausus und eine verbindliche Grundschulempfehlung. Der Landeselternausschuss warnte vor schärferen Zugangskriterien. »Die Gymnasien sollen zwar (noch) nicht abgeschafft werden, aber mit der drastischen Begrenzung auf Schüler mit sehr guten Noten werden es deutlich weniger», teilte der Vorsitzende André Schindler mit. Ähnlich äußerte sich die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben, die für das Gymnasium eine Zugangsregelung mit einem Mix aus Noten, Beratungsgespräch und Probejahr vorschlug. Ihr CDU-Kollege Sascha Steuer vertrat das Modell seiner Partei für ein Verfahren aus Probeunterricht, Test und Gespräch. Im Gegenzug versprach er »ein Jahrzehnt Ruhe und Verlässlichkeit« in den Schulen.

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