Was läuft beim Sozialforum?

Stefan Kramer über das heute im Wendland beginnende Bewegungstreffen / Der 33-jährige Pfarrer in Hitzacker hat das dritte deutsche Sozialforum mit vorbereitet, das noch bis Sonntag zur Teilnahme einlädt

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Haben Sie schon einmal an einem Sozialforum teilgenommen?
Kramer: Nein. Ich gehöre zum regionalen Vorbereitungskreis und von uns war noch keiner bei den anderen Sozialforen dabei. Als ich erfuhr, das Sozialforum kommt nach Hitzacker, habe ich gemeint, unsere Kirchengemeinde sollte sich einbringen. Meine Kirche hat mich dafür sogar mit einem Teil meiner Stelle freigestellt. Wir haben für die vier Tage über 100 Veranstaltungen organisiert. Wie viele Teilnehmer kommen, können wir noch nicht sagen. Wir hoffen auf 1000, dann hat es sich auf jeden Fall gelohnt.

Das deutsche Sozialforum versteht sich als Teil der Weltsozialforumsbewegung. Wie scheint »die Welt« im Wendland auf?
Es gibt an allen Orten auf der Welt Menschen, die eine solidarische Gesellschaft bauen wollen. Wir haben hier natürlich unsere speziellen Themen, wie Anti-Atom, die Elbe als Natur- und Lebensraum, das Leben auf dem Lande. Aber auch hier wollen wir den großen Horizont im Blick behalten, weil alles miteinander zusammenhängt. Wir können nicht einfach nur im kleinen Kreis vor uns hin muffeln, sondern müssen die Entwicklungen im Großen und Ganzen sehen.

Wie immer bei Sozialforen ist die Vielfalt an Themen sehr groß. Gibt es eine Klammer?
Was wir hier diskutieren, tun wir vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise und des herrschenden Finanz- oder Wirtschaftssystems. Unsere Umweltprobleme vor Ort haben damit zu tun, genauso wie soziale Probleme, die durch eine Globalisierung zustande kommen, bei der Arbeitnehmer in Deutschland gegen Arbeitnehmer in Indien oder China ausgespielt werden. Die Krise hat einen Namen: Kapitalismus. Das ist die Klammer.

In Hitzacker wollen Sie »aus der Analyse zum Handeln kommen«, heißt es in der Einladung. Was soll bzw. was kann ein Sozialforum bewirken?
Auf der persönlichen Ebene erwarte ich Impulse, neue Kontakte zu knüpfen, um dann zu Hause gestärkt weitermachen zu können. Darüber hinaus hoffen wir, dass unsere Bewegung an Kraft gewinnt. Das Sozialforum bietet den sozialen Bewegungen den Raum, ihre Erfahrungen, Projekte und Alternativen zu diskutieren, sich auszutauschen, weitere Schritte zu beraten. So werden Gewerkschaften, Attac, Friedens- und Umweltorganisationen vor Ort sein.

Der Schwung der Sozialforumsbewegung hat merklich nachgelassen. Seit etwa zwei Jahren läuft deshalb die Diskussion, wie es weitergehen soll. Wo sehen Sie die Zukunft der Sozialforen?
Im Grunde haben wir von der Bundestagswahl gerade den Anstoß bekommen zu sagen: Jetzt erst recht. Aber richtig, der Klärungsbedarf ist groß. Das Sozialforum in Deutschland muss diskutieren, wo es eigentlich steht: Wird es gebraucht? Wird es angenommen von den Gruppen? Es ist ja nur ein Angebot. Am Sonntag, nach dem offiziellen Ende des Sozialforums, gibt es ein Treffen der sozialen Bewegungen. Dort werden gegebenenfalls Beschlüsse formuliert – was das Sozialforum nach der Charta von Porto Alegre ja nicht kann – und es wird nach Projekten gesucht, die man gemeinsam die nächsten vier Jahre angeht.

Ihr Vorschlag?
Ich bin ja erst neu dabei. Insofern sehe ich mich nicht in der Rolle zu sagen, die Bewegung müsste dahin oder dorthin gehen. Dafür gibt es auf der bundesweiten Koordinierungsebene Leute, die das besser machen.

Fragen: Ines Wallrodt

Im Internet: www.sfid2009.info

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