Vom Vorzeigeprojekt zum Pflegefall

Der Niedergang des Quelle-Logistikzentrums in Leipzig

  • Gitta Keil, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Aus für den Versandhändler Quelle stehen im Leipziger Logistikzentrum des Unternehmens 800 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Leipzig. Die legendäre Grete Schickedanz hatte es 1991 noch persönlich entschieden: Das neue Logistikzentrum des Versandhauses Quelle kommt in den Osten, nach Leipzig. Mit einer Investition von einer Milliarde D-Mark – der größten in der Firmengeschichte – wurde im strukturschwachen Leipziger Norden das damals modernste Versandzentrum der Welt auf die grüne Wiese gesetzt, Autobahnanschluss inklusive. Präsentabler Nachbar wurde die Neue Leipziger Messe. Am 18. Mai 1995 wurde die Eröffnung gefeiert – ein neuer Leuchtturm für den Aufbau Ost. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hatte es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein.

Fast 20 Jahre später droht der Leuchtturm zu verlöschen. 800 Jobs stehen auf dem Spiel und nachdem das endgültige Aus für Quelle verkündet wurde, weiß niemand, wie es weitergehen soll. »Wir haben keine Informationen«, sagt Betriebsratschef Steffen Schmidt und ist wenig optimistisch. »Es wird wohl so sein, dass es den Standort Leipzig früher oder später nicht mehr gibt. Das müsste man schon ein ganz schön großes Fünkchen Hoffnung haben«, sagt er und kann auch nicht so recht auf den Einstieg eines Investors hoffen. »Das hat man seit Jahren vergeblich versucht.« Der Warenbestand würde noch für Arbeit bis zum Jahresende reichen.

Der Sprecher des Insolvenzverwalters, Thomas Schulz, weiß auch noch nichts genaueres. »Wir stehen seit 36 Stunden vor diesem Szenario. Vor so einer Herausforderung stand noch niemand in Deutschland«, sagt er.

Die Stadt Leipzig droht einen ihrer großen Arbeitgeber zu verlieren. Einst arbeiteten 1150 Menschen plus Saisonkräfte im Logistikzentrum. Heute sind es noch 800. 150 hatten aber schon vor wenigen Tagen den blauen Brief in der Hand. Der Abstieg kam schleichend – so wie der angeschlagene Handelskonzern Arcandor immer mehr ins Trudeln kam.

Zunächst versuchte man Kosten zu sparen. Die Immobilie wurde verkauft und zurückgemietet. Das war, als der damalige Karstadt- Quelle-Konzern 2005 einen harten Sanierungskurs verkündet hatte. Zwei Jahre später wurden 300 Stellen abgebaut, spezielle Arbeitszeitmodelle konstruiert. Die Auslastung des Zentrums, war von ehemals 130 bis 135 Millionen Paketen pro Jahr auf 82 Millionen Pakete gesunken.

Mit der Insolvenz von Arcandor und Quelle begann auch für Leipzig die große Zitterpartie. Das Geschäft brach um 50 Prozent ein, wie der Leiter des Logistikzentrums, Winfried Lunz, damals sagte. Nachdem ein Massekredit über 50 Millionen Euro der Quelle das vorläufige Überleben sicherte, schöpften die Leipziger Quelle-Mitarbeiter wieder Hoffnung. Doch die Kunden hielten dem angeschlagenen Traditionsunternehmen nicht die Treue. Am Montag kam das Aus für die Quelle.

Betriebsrats-Chef Steffen Schmidt hofft nun auf Hilfe für seine Leute. »Sozialverträglich wird der Abbau nicht sein – wenn die Kassen leer sind.« Sozialverträglich wäre für ihn, wenn sich die Behörden jetzt besonders um die Mitarbeiter kümmerten, wieder in Arbeit zu kommen. »Arbeiten können wir alle – das können alle Kollegen hier. Das haben sie bewiesen.«

Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) hatte Gespräche angekündigt. Besonders liegt ihm auch das Schicksal der Auszubildenden am Herzen. »Wichtig ist mir, dass für die Auszubildenden schnell eine Lösung gefunden wird. Das Aus von Quelle darf nicht das Aus für ihre Ausbildung sein. Wir sind im Gespräch mit den Kammern, um zu klären, wie viele junge Leute betroffen sind und wo und wie sie ihre Ausbildung zu Ende bringen können«, sagte er laut einer Sprecherin. Die Stadt Leipzig wollte am Mittwochabend eine erste Stellungnahme abgeben.

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