Emily Murphy
Frauengeschichte(n)
Am 18. Oktober 1929 veränderte ein Urteil des kanadischen Kronrates, der zu jener Zeit faktisch das Oberste Gericht Kanadas war, die politische Ordnung des Landes in sehr nachhaltiger Weise: Kanadische Frauen, so die höchstrichterliche Entscheidung, waren nunmehr auch hinsichtlich ihrer juristisch definierten Rechte als vollwertige »Personen« zu betrachten. Vorangegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit durch viele Instanzen, der von fünf Frauen aus der Provinz Alberta geführt worden war.
Bis 1929 blieben den kanadischen Frauen einzig auf Grund ihres Geschlechts viele politische Rechte vorenthalten, so beispielsweise auch das Recht, in den Senat gewählt zu werden. Denn der British North America Act (BNA), eine Sammlung von Rechtsbestimmungen aus dem 19. Jahrhundert, die in ihrer Gesamtheit die damalige Verfassung Kanadas ausmachten, legte u. a. fest: »Frauen sind Personen bezüglich der (staatsbürgerlichen) Pflichten und Verpflichtungen, aber nicht Personen bezüglich der (staatsbürgerlichen) Rechte und Vorrechte.«
Emily Murphy, die erste Richterin im britischen Empire und eine der bekanntesten und engagiertesten Frauenrechtlerinnen Kanadas, suchte sich vier Verbündete, um über eine gerichtliche Klage die Abschaffung dieser Bestimmungen des BNA zu erreichen: Henrietta Muir Edwards, Nellie McClung, Louise McKinney und Irene Parlby. Die »Famous Five«, wie sie noch heute in Kanada respektvoll genannt werden, stellten dem Gericht nur eine Frage: »Schließt das Wort ›Personen‹ in Artikel 24 des British North America Act auch weibliche Personen ein?« Denn dort war fixiert: »Der Generalgouverneur soll ... qualifizierte Personen in den Senat berufen ... und jede berufene Person soll ein Mitglied des Senats werden und sein.«
Das erste Urteil bekräftigte die alte Regelung. Die fünf Frauen hatten dies wohl erwartet und inzwischen die Öffentlichkeit mobilisiert. Dort fand ihr Anliegen eine überraschend breite Unterstützung. Entsprechend groß war die allgemeine Freude, als der Lordkanzler des Kronrats vor 80 Jahren verkündete: »Frauen sind uneingeschränkt wählbar und können Mitglieder des Senats von Kanada werden.«
Es bleibt zu erwähnen, dass keine der fünf Frauen sich jemals um einen Sitz im kanadischen Senat bewarb.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.