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Schon wieder Halbe
Nazis planen für den 14. November in der brandenburgischen Stadt einen »Gedenkmarsch«
»Sie kommen nicht durch«, steht auf den Plakaten zu lesen, die seit dieser Woche fertig gedruckt und zum Abholen und Verkleben bereit in linken Buch- und Infoläden liegen. »Sie« – das sind die ewig gestrigen Nazis. »... kommen nicht durch«, das bezieht sich auf Halbe.
Nach drei Jahren Pause wollen die braunen Kameraden wieder einen revisionistischen und NS-verherrlichenden Umzug abhalten. Sie rufen für den 14. November – dem Vortag des Volkstrauertags – zum »Heldengedenken« in der knapp 2200 Menschen großen Gemeinde im Landkreis Dahme-Spreewald auf. Mit dem »Kessel von Halbe« brachte die Rote Armee den sinnlos und fanatisch durchhaltenden Verbänden von Waffen-SS, Wehrmacht und »Volkssturm« im Februar eine der letzten Niederlagen vor der Befreiung Berlins bei. Weit über 20 000 Menschen starben.
Mit dem Aktionstag »Vielfalt tut gut« am 14. November organisieren die sechs Gemeinden des Schenkenländchens Märkisch Buchholz, Stadt Teupitz, Groß Köris, Halbe, Münchehofe und Schwerin den Protest in Halbe. Das wurde in einer Sitzung des Amtsausschusses bereits im September einstimmig beschlossen.
Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der AntifaschistInnen (VVN/BdA) freue sich, dass sich das Amt Schenkenländchen in diesem Jahr erstmalig so breit an den Protesten beteilige, sagte ein Vorstand gegenüber ND. »In den Jahren bis 2006 wurde der Protest oft von außen nach Halbe getragen.«
Die VVN/BdA ruft für den 14. November zusammen mit Antifagruppen nach Halbe auf. »Da wir nicht wissen, was genau passieren wird, bereiten wir uns auf alle Möglichkeiten vor«, so das Vorstandsmitglied. Sollten die Nazis doch marschieren »werden wir versuchen, sie zu blockieren«. Wenn die Nazis wieder an einen anderen Ort ausweichen, hoffe er, dass »sich die Menschen auch woandershin mobilisieren lassen«. 2006 füllten 8000 Demokraten die Straßen von Halbe, und einige Hundert stellten sich in Seelow den Nazis entgegen. Allein für den Aktionstag »Vielfalt tut gut« am 14. November werden 2000 Menschen erwartet. Die Nazis haben bis zu 400 Teilnehmer angemeldet. .
Ob sich die Nazis überhaupt von ihrem Treffpunkt, dem Bahnhofsvorplatz in Halbe, wegbewegen können, ist fraglich. »Deren gewählte Route würde die beiden Gegenkundgebungen kreuzen«, sagte Polizeisprecher Peter Salender gegenüber ND, und das sei per Auflage verboten. Es könnte den Rechten um Daueranmelder Lars Jacobs also auch passieren, dass sie am Bahnhof von Halbe stehen bleiben.
Die Polizei will an dem Tag in »angemessener Zahl« vor Ort sein und die Teilnehmer der verschiedenen Veranstaltungen voneinander getrennt halten, sagte Salender. Zudem seien Uniformen und uniformähnliche Bekleidung verboten. Dazu gehören auch T-Shirts (im Nazijargon »T-Hemd«), die auf der Homepage des »Freundeskreises Halbe« angeboten werden. Darauf abgebildet sind ein Stahlhelm im Eichenkranz, die Worte »Ehre« und »Treue« in Fraktur und auf der Rückseite Wehrmachtssoldaten. Ewig gestrig eben.
Auf dem Waldfriedhof in Halbe liegen über 22 000 überwiegend in der Kesselschlacht Getötete, aber auch Zwangsarbeiter und hingerichtete Deserteure der Wehrmacht sowie zwischen 1945 und 1947 Verstorbene aus dem sowjetischen Speziallager Ketschendorf. Seit 1989 marschierten Nazis in Halbe – Anfang der 90er Jahre noch mit mehreren 1000 Teilnehmern in Uniformen mit Trommeln und Fackeln. Dann war der Aufmarsch jahrelang verboten, bis der braune Gedenkspuk im Jahr 2003 wieder begann.
Der Aufmarsch am Waldfriedhof war lange Jahre ein zentraler Termin im rechten Kalender – neben dem »Heß-Gedenken« in Wunsiedel und dem Gedenkaufmarsch zu der Bombardierung Dresdens 1945. Die drei sind bzw. waren die bundesweit größten Aufmärsche mit jeweils mehreren 1000 Teilnehmern. Mit Wunsiedel war es nach anhaltendem Antifaprotest und durch Gesetzesänderungen vor einigen Jahren endgültig vorbei. Auch der Protest in Dresden wird von Jahr zu Jahr stärker. Der Grund, warum die Nazis nach so vielen Schlappen wieder versuchen, in Halbe aufzumarschieren, dürfte auch darin liegen, dass der Ort für sie so wichtig ist, dass sie ihn nicht aufgeben können.
Manch einer lernt's eben nie.
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