Die grundlegenden Dinge lernen

Berliner Drogennotdienst hilft seit 25 Jahren Menschen mit Suchtproblemen

  • Anne Britt Arps
  • Lesedauer: 3 Min.
Klienten des Drogennotdienstes beim Laubräumen
Klienten des Drogennotdienstes beim Laubräumen

Marcel W. ist 37 Jahre. Mit einer Harke entfernt er Laub vor dem Eingangsbereich eines gelben Containerbaus in der Fasanenstr. 91. Hier ist in einem ehemaligen Asylbewerberheim die Werkstatt untergebracht, ein Arbeitsprojekt für Drogen- und Alkoholabhängige, das vom Berliner Drogennotdienst betrieben wird.

Seit gut eineinhalb Jahren kommt Marcel täglich hierher, die Arbeit an der frischen Luft gefällt ihm. Unter Anleitung einer Gärtnerin säubert er zusammen mit gut 20 Männern und Frauen Spielplätze und Parkanlagen in der Umgebung – für 1,50 Euro die Stunde, finanziert durch das Jobcenter. Wie die meisten »Klienten« der Werkstatt nimmt Marcel an einem Methadonprogramm teil. Zum ersten Mal mit Drogen in Berührung gekommen ist er mit 17, während der Lehrzeit. »Am Anfang war es Neugier«, erinnert sich Marcel. Hin und wieder nahm er an Wochenenden mit Freunden Kokain, LSD oder Amphetamine. Doch die Abstände wurden immer kürzer. »Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich süchtig bin.«

Sechzig Erwachsene, gut zwei Drittel davon Männer, werden hier und in zwei weiteren Standorten von Sozialarbeitern des Drogennotdienstes betreut. Ihren Weg zur Werkstatt finden die meisten über Beratungsstellen. »Ein Großteil unserer Klienten sind Substituierte«, sagt Dagmar Witzerstorfer, die Leiterin des Projekts. »Doch immer öfter werden uns auch Alkoholabhängige vom Jobcenter zugewiesen.«

An drei bis fünf Tagen die Woche arbeiten sie je nach persönlichem Interesse in den Bereichen Garten- und Landschaftsbau, im Büro, der Küche, einer Wäscherei oder der Tischlerei. Fünf Stunden dauert für sie der Arbeitstag, dazwischen gibt es eine warme Mahlzeit. »Oft sind es sehr einfache, grundlegende Dinge, die wir den Leuten hier beibringen«, erläutert Heike Krause, Pressesprecherin des Vereins. »Das kann z.B. sein, wie man das Internet bedient und eine E-Mail schreibt.« Wichtig sei für viele die Erfahrung, überhaupt etwas lernen zu können.

Ziel des Arbeitsprojekts ist der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Doch eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gelingt nur in seltenen Fällen, so Krause. Ein Erfolg sei es bereits, wenn die Leute über die Arbeit und einen geregelten Tagesablauf stabilisiert werden, wenn sie weniger straffällig werden oder der Beikonsum anderer Drogen zurückgeht. Neben der Werkstatt betreibt der Drogennotdienst auch zwei Arbeitsprojekte für Jugendliche. »In dem Alter haben sie noch eine große Chance, einen Ausbildungsplatz zu finden«, sagt Krause.

»Es geht darum, mit den Klienten neue Perspektiven zu entwickeln und ein neues Umfeld zu stricken«, erklärt Dagmar Witzerstorfer. In Erste-Hilfe-Kursen, Bewerbungstrainings und PC-Kursen können sie sich weiterqualifizieren. Sogar ein Motorsägenschein wird angeboten. »Der ist besonders unter den männlichen Jugendlichen sehr beliebt.«

Gegründet wurde der »Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V.«, kurz: Drogennotdienst, 1984, vor genau 25 Jahren in der Ansbacher Straße in Schöneberg. Allen, die ein Problem mit Drogen oder Alkohol haben, leistet der Notdienst seitdem schnell und unbürokratisch Hilfe: Betroffenen, Angehörigen, aber auch Lehrern.

»Wir haben 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr geöffnet«, erklärt Krause. Nach dem Ende der Bürozeiten um 21:30 Uhr gibt es eine Telefonhotline. »Krisen bekommen Menschen normalerweise nicht zu Bürozeiten, sondern dann, wenn es draußen dunkel ist und sie alleine sind, also nachts.«

Inzwischen betreibt der Verein 25 Projekte, überwiegend in Berlins Südwesten. Von betreuten Wohnprojekten, einem Frauentreff für prostituierte Drogenabhängige in der Kurfürstenstraße bis hin zu Methadonambulanzen – allesamt widmen sich auf unterschiedlichen Ebenen den mit Drogensucht verbundenen Problemlagen. Anders als noch vor 25 Jahren liegt ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit heute auf Jugendlichen.

»Gerade bei jungen Menschen geht der Trend immer mehr zu weichen Drogen wie Cannabis und Alkohol«, so Krause. »Wir möchten das Problem wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein rücken. Anders als viele glauben, kommen die Jugendlichen aus allen Schichten.« In speziellen Beratungsangeboten können sich sich sowohl Betroffene wie auch Angehörige Hilfe holen.

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