Erste Belastungsprobe für Schwarz-Rot
Christine Lieberknecht (CDU) verschiebt Ministerernennung in Thüringen / Opposition verärgert
Im Thüringer Landtag soll heute die bisherige Sozialministerin Christine Lieberknecht (CDU) zur Ministerpräsidentin gewählt werden. Die ursprünglich im Anschluss geplante Vereidigung ihres Kabinetts hat sie dagegen auf kommenden Dienstag verschoben und sich damit die erste Schelte der Opposition eingehandelt.
»Die Wahl des Ministerpräsidenten ist keine Formalie«, betonte Lieberknecht. Aus Respekt vor dem Parlament und dem Amt wolle sie erst legitimierte Regierungschefin sein, bevor sie ihr Kabinett berufe. Diese hehre Haltung kauft ihr in Erfurt aber kaum jemand ab. Der designierte Fraktionschef der LINKEN, Bodo Ramelow, sieht darin ein klares Signal, dass Lieberknecht der eigenen Koalition nicht traut und nicht sicher ist, ob sie wirklich gewählt wird. Die Kabinettsbildung werde zum Lotteriespiel, bei dem die Abgeordneten die Katze im Sack kaufen, sagte er gegenüber ND. Die Stimmung werde daran deutlich, dass die oppositionelle FDP schon signalisiert hat, im dritten Wahlgang wolle sie für Lieberknecht stimmen.
In der Tat ist die Kabinettsbildung für Lieberknecht eine heikle Sache. Dass sie nach ihrer Wahl Gespräche zur Kabinettsbildung angekündigt hat, lässt darauf schließen, dass sie vorsichtshalber noch niemandem gesagt hat, dass für ihn kein Platz am Kabinettstisch ist. Am Ende werden Mitglieder ihrer Fraktion oder bisherige Minister leer ausgehen, die sich Hoffnungen auf einen Ministerposten machen. Ähnlich könnte es bei der SPD aussehen. Angesichts einer Mehrheit von nur vier Stimmen und einer Reihe erklärter Gegner der schwarz-roten Koalition in beiden Fraktionen könnte dann die Wahl von Lieberknecht zum Glücksspiel werden. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass sich die bei der Postenverteilung zu kurz Gekommenen rächen, gegen Lieberknecht stimmen und das ganze mühsam gebastelte Koalitionsgebäude ins Wanken bringen. Die Kabinettsbildung wird damit zur ersten Belastungsprobe für die auf beiden Seiten ungeliebte Koalition. Schließlich ist sie nicht das Ergebnis gemeinsamer politischer Ziele, sondern Produkt des Strebens nach Machterhalt der CDU.
Für die Abgeordneten des Landtages muss es wie blanker Hohn klingen, wenn Lieberknecht auf die Tagesordnung verweist, die ja eine Sitzungsunterbrechung nach der Ministerpräsidentenwahl vorsehe, ohne dass gesagt wird, wie lange die dauert. Der listige Schritt der einstigen Pastorin macht zugleich deutlich, dass der von den Koalitionären immer wieder beschworene Politikwechsel und das Ende des »System Althaus« eine Fiktion sind. Die Thüringer CDU wusste von jeher die Geschäftsordnung und allerlei Tricks im Interesse ihrer Macht zu nutzen. Daran wird sich offenbar auch künftig nichts ändern. Mancher Sozialdemokrat wird sich in den kommenden fünf Jahren wohl noch verwundert die Augen reiben und sich fragen, wo er mit dieser Koalition hingeraten ist.
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