Hartz IV: Bei drohender Stromsperre frühzeitig Hilfe holen
Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
Wenn am Ende des Abrechnungszeitraums eine Nachzahlung für Heizenergie oder Strom fällig ist, können schnell mehrere hundert Euro zusammenkommen. Werden die Forderungen nicht zeitnah beglichen, kann das drastische Folgen haben: Mahn- und Vollstreckungsgebühren, Probleme mit dem Vermieter, Energiesperren usw. Für Bezieher von ALG II gibt es je nach Art der Forderung unterschiedliche Möglichkeiten, eine Übernahme der Energiekosten durch die ARGE oder das Jobcenter durchzusetzen. Im Folgenden gibt die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen einen Überblick über die sozialrechtlichen Regelungen.
Wer zahlt was?
Um herauszufinden, welche Forderungen als Beihilfe oder als Darlehen vom Amt übernommen werden können, müssen Heizkosten und Haushaltsenergie getrennt betrachtet werden. Eine Abschlussrechnung des Energieversorgers kann z.B. eine Forderung enthalten, die Heiz- und Haushaltsenergie betrifft, oder eben nur eine dieser Energiearten. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn Kosten für Heizenergie sind in der Regel im Rahmen der Unterkunftskosten durch die Behörde zu übernehmen. Haushaltsenergie müssen Sie dagegen aus der Regelleistung zahlen.
Heizkosten als Beihilfe
Folgt man den Bestimmungen des Gesetzes (§ 22 Abs. 1 SGB II) und den Entscheidungen der Sozialgerichte, sind Heizkosten regelmäßig in tatsächlicher Höhe als Beihilfe zu übernehmen, wenn kein unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegt. Da eine Begrenzung der Heizkosten in Form von Pauschalen oder festen Höchstgrenzen nicht rechtens ist, sind die ALG-II-Behörden verpflichtet, die tatsächlichen Heizkosten zu ermitteln und zusammen mit der Miete zu zahlen. Hierzu zählen die monatlichen Vorauszahlungen an den Vermieter oder das Energieunternehmen und fällige Nachzahlungen am Ende eines Abrechnungszeitraums. Da die Heizkosten zu den Unterkunftskosten gehören, müssen Sie entsprechende Nachweise (Abrechnungen) vorlegen. Die Ämter haben Sie darauf hinzuweisen.
Was ist bei Heizkosten zu beachten?
Im Fall einer Nachzahlung sollten Sie die Übernahme der Forderung schriftlich beantragen und die Abrechnung in Kopie beifügen.
Wird Warmwasser mit der Heizenergie bereitet, können je nach Haushaltsgröße Pauschalen bei den Heizkosten abgezogen werden. Diese sind aus der Regelleistung zu zahlen.
Unwirtschaftliches Heizen muss durch das Amt nachgewiesen werden. Allein der Verweis auf zu hohe Heizkosten ist kein Beleg dafür. Örtliche Besonderheiten (Bausubstanz, Isolierung, Effizienz der Heizung etc.) und persönliche Besonderheiten (z.B. Kleinkinder, Kranke oder Pflegebedürftige im Haushalt) können für höhere Heizkosten verantwortlich sein und sind im Einzelfall zu berücksichtigen.
Eine Nachzahlung für Heizkosten muss auch übernommen werden, wenn Sie die Abrechnung nach Fälligkeit eingereicht haben. Guthaben bei Heizkosten sind dagegen bei den Unterkunftskosten anzurechnen.
Energieforderungen als Darlehen
Wenn am Ende des Abrechnungszeitraums eine Nachzahlung für Strom fällig ist, müssen Sie diese aus der Regelleistung begleichen. Wenn das aus Ersparnissen und dem Geld, das Ihnen zur Verfügung steht, nicht möglich ist, können Sie ein Darlehen bei der ARGE beantragen (§ 23 Abs. 1 SGB II). Wird nachgewiesen, dass der Bedarf auf andere Weise nicht gedeckt werden kann, muss das Amt den Betrag vorstrecken. Das Darlehen wird bis zu 10 % mit der künftigen Regelleistung verrechnet.
Wenn eine Energiesperre droht
Sind Stromschulden aufgelaufen und das Energieunternehmen droht eine Sperre an, müssen Sie zunächst versuchen, die Sperre mit eigenen Mitteln abzuwenden. In Frage kommen hier die Vereinbarung einer Tilgung in kleinen Raten oder eine glaubwürdige Zusage der Rückzahlung. Ist eine Stromsperre unverhältnismäßig, weil z.B. Kleinkinder, Kranke oder Pflegebedürftige im Haushalt leben, müssen Sie das dem Energieunternehmen darlegen.
Es muss dann zu anderen Mitteln greifen, um die Forderung einzutreiben, z.B. ein gewöhnliches Inkassoverfahren. Erst wenn Selbsthilfe nicht zum Erfolg führt, kann die Sperre durch einen Antrag auf Schuldenübernahme bei der ALG-II-Behörde abgewendet werden (§ 22 Abs. 5 SGB II). In vielen Kommunen sind spezielle Stellen zur Wohnraumsicherung dafür zuständig. Das Amt hat dann die Stromschulden als Darlehen zu übernehmen. Das Darlehen darf im Normalfall nicht mit der Regelleistung aufgerechnet werden. Lehnt die Behörde den Antrag ab oder bearbeitet ihn nicht rechtzeitig, droht mit der Sperre eine Notlage. Dann können Sie beim Sozialgericht im Eilverfahren klagen. Wenden Sie sich bei drohender Sperre frühzeitig an eine Beratungsstelle!
Wie kann man sich wehren?
Sie haben eine Sanktion bekommen? »Mist«, denken Sie vielleicht, »aber was in einem offiziellen Bescheid einer Behörde steht, das wird schon richtig sein«. Und vielleicht haben sie ja tatsächlich einen Fehler gemacht, wie etwa einen Termin versäumt oder auf die Einladung zu einer Maßnahme nicht reagiert...
Wir empfehlen, Kürzungen nicht einfach hinzunehmen. Viele Kürzungsbescheide sind rechtswidrig, da die Ämter die gesetzlichen Spielregeln nicht einhalten.
Dazu drei Beispiele:
– Wird das ALG II um mehr als 30% gekürzt, dann muss das Amt Sachleistungen oder Gutscheine gewähren, wenn das, was man unbedingt zum Leben braucht, anders nicht gesichert ist. Das haben die Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 16. 12. 2008, Az.: L 10 B 2154/08 AS) und Nordrhein-Westfalen (Beschluss v. 9. 9. 2009, Az.: L 7 B 211/09 AS ER) entschieden. Versäumt das Amt die Prüfung und Entscheidung über notwendige Sachleistungen oder Gutscheine, dann ist die ganze Kürzung rechtswidrig.
– Das Amt muss Sie vorher genau über die Folgen belehren, die eintreten, wenn Sie eine Auflage missachten. Sollen Sie beispielsweise einen 1-Euro-Job ausführen, dann muss das Amt Ihnen vorher sagen, um wie viel und wie lange gekürzt wird, wenn Sie den 1-Euro-Job nicht antreten. Ist diese Rechtsfolgebelehrung zu ungenau, dann ist die ganze Kürzung rechtswidrig.
– Kürzungen nach Pflichtverletzungen sind nur zulässig, wenn die Pflicht, die erfüllt werden soll, auch klar und eindeutig festgelegt ist. Bei einem 1-Euro-Job beispielsweise muss vorab klar sein, welche konkrete Tätigkeit sie wo, wie viele Wochenstunden, wie lange und gegen welche Entschädigung machen sollen. Sind diese Angaben zu ungenau, dann ist eine folgende Kürzung ebenfalls rechtwidrig.
Es lohnt oft, sich gegen Sanktionen zu wehren. Dazu müssen Sie Widerspruch einlegen und beim Sozialgericht einen Eilantrag stellen, damit Ihr ALG II bis zur Klärung der Streitsache nicht gekürzt wird. Wenn Sie dabei Hilfe brauchen, dann wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft, eine Beratungsstelle oder einen Fachanwalt für Sozialrecht.
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