Medikamente auch für die Ärmsten

Öffentlich finanzierte Forschung braucht intelligente Lizenzpolitik

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie können Medikamente Menschen in ärmeren Ländern zugänglich gemacht werden? Diskutiert wurden diese Fragen auf einer Veranstaltung am Montag in Berlin, zu der das Forschungsprojekt »med4all« eingeladen hatte. Darin engagieren sich Mediziner und Interessierte von der Berliner Charité, der Universität Bremen und der BUKO Pharma-Kampagne.

Weltweit werden über 50 Prozent der medizinischen Forschung und Entwicklung mit öffentlichen Geldern finanziert. Daraus erwächst eine soziale Verantwortung dieses Bereichs. Wissenschaftler und Universitäten suchen meistens kommerzielle Partner, mit denen sie ihre Entdeckungen soweit entwickeln, dass sie auf dem Markt bestehen können. Dabei nutzen sie ihre Möglichkeiten zu wenig, auf die Lizensierung und die Vermarktung ihrer Produkte Einfluss zu nehmen.

Im Bereich der Grundlagenforschung kommen immer weniger Ergebnisse aus der Pharmaindustrie, immer mehr hingegen aus Universitäten, so der Berliner Mediziner Peter Tinnemann. Während die Industrie sich hier die Rosinen herauspickt und sie erfolgreich vermarktet, gelingt es den öffentlichen Forschungseinrichtungen noch nicht, ihre Ergebnisse gut zu verkaufen. »Nachdem in Deutschland an den Universitäten Ende der 90er Jahre Patentvergabeagenturen gegründet wurden, laufen deren Gelder nun aus.« Diese Einrichtungen sollten sich zwar bald selbst tragen, aber sie funktionieren nicht wie beabsichtigt. Ähnliche Erfahrungen gibt es in den USA und Großbritannien.

Alternativen lassen sich nur dann entwickeln, wenn die Forscher und ihre Einrichtungen ihre Möglichkeiten besser ausschöpfen. Die Juristin Sandy Harnisch nannte Grundregeln für sozialverträgliche Lizenzvereinbarungen: Die Forschungseinrichtungen sollten auf ein Miteigentum an ihren Entwicklungen bestehen und die Rechte daran nicht vollständig an die Verwerter übergeben. Sie sollten Transparenz bei der Verwertung durchsetzen und dafür gemeinwohlorientierte Vorgaben machen. So sei es möglich, Lizenzen nach Regionen zu differenzieren, also unterschiedlich für Industrie- und für Entwicklungsländer. Auf diese Weise wären in ärmeren Ländern Produktion und Verkauf der Medikamente und Diagnostika möglich. Dieses Vorgehen sei für alle vorteilhaft, so Harnisch: »Universitäten könnten sich damit profilieren, Industrien könnten neue Märkte erschließen.« Hier widersprach ihr Tobias Hauschild von oxfam Deutschland: »Die Pharmaunternehmen sind an diesen Märkten nicht interessiert.« Die Konzerne hätten eher Angst davor, dass ihnen bei günstigeren Abgabe in ärmeren Ländern die Frage gestellt würde, warum die Pillen denn hier doppelt bezahlt werden müssten, einmal von den Steuerzahlern und noch einmal sehr teuer von den Patienten.

Jedoch sind Erfolge zugunsten armer Länder durchaus möglich, wie die Geschichte des Aids-Medikamentes d4T zeigt. Das ursprünglich zur Krebsbehandlung entwickelte Mittel wurde 1986 von der Yale University zum Patent angemeldet. Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erhielt eine Exklusivlizenz und brachte es 1994 auf den Markt. 2001 fragte die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« in Yale nach der Vergabe einer freiwilligen Lizenz für Südafrika. Das wurde zunächst abgelehnt. Nach Protesten von Studierenden und Wissenschaftlern in den USA lenkte das Unternehmen schließlich ein und verzichtete auf seine Rechte in Afrika. In der Folge konnten dort die Kosten für die HIV-Kombinationstherapie von 10 000 Dollar pro Jahr auf unter 100 Dollar gesenkt werden.

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