Nicht hinterm Deich verstecken
Acqua-alta-Kongress präsentierte Konzepte für Leben mit der großen Flut
Die Zeit drängt. Ministerialdirektor Helge Wendenburg vom Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz, das als Schirmherr des Kongresses fungierte, appellierte in seiner Eröffnungsrede eindringlich an alle Klimaexperten aus dem In- und Ausland, ihre unterschiedlichen Kompetenzen zu bündeln. »Da die Komplexität und Dynamik des Klimawandels schwer zu ermessen sind, müssen wir lernen, alle Schutzmaßnahmen flexibel, revisions- und anpassungsfähig zu gestalten«, ergänzte Staatsrat Christian Maaß von der Hamburger Umweltbehörde. Der Grünen-Politiker mahnte: »Die Gesellschaft darf sich nicht hinter dem Deich verstecken.«
Die Fachmesse »acqua alta«, benannt nach dem jährlich wiederkehrenden Hochwasser in Venedig, fand erstmals 2003 in München statt und wird seit 2006 in Hamburg veranstaltet. In diesem Jahr kamen mehr als 70 Vertreter von Forschungsinstituten, Umweltschutzverbänden, Behörden und Energieversorgern sowie Stadtplaner und Kreative aus verschiedenen Bereichen zu Wort.
Rund 50 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen aus neun Ländern präsentierten neue Technologien und Dienstleistungen schwerpunktmäßig zu den Themenkomplexen Wasserkraft und Bevölkerungsschutz. Darunter Bereitschaftskonzepte wie Lagerung, schnelle Lieferung, Aufbau und Wartung von mobilen Hochwasserschutz-Systemen. Vorgestellt wurden vor allem Alternativen zu den Sandsäcken, etwa Kunststoff-Deicherhöhungsplatten oder Mehrzweckschläuche sowie runde Barrieren (Überlaufsperrbehälter), die verhindern, dass Wasser durch die Gullydeckel in die Straßen läuft.
Klarer Trend der Messe: Man arrangiert sich mit dem vermeintlich Unvermeidbaren – die reichen Industrieländer im Norden wappnen sich für die große Flut. So hat Stararchitekt Hadi Therani eine ganz besonders pfiffige Idee für die Hamburger parat, dem Hochwasserproblem zu trotzen: »Living Bridge«, eine 700-Meter-Brücke mit Wohnungen und Geschäften zwischen der Innenstadt und südlich der Elbe gelegenen Stadtteilen.
Zum Auftakt der »acqua alta« beschäftigte sich eine Expertenrunde mit der Schlüsselrolle, die dem kommunalen Bereich bei der Abwehr von Gefahren infolge des Klimawandels zukommt. Der Leiter des Fachbereichs Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien im Bundesumweltamt, Harry Lehmann, plädierte dafür, die Bevölkerung besser aufzuklären und stärker einzubinden: »Vom Handwerker bis zum Schüler – um die staatlichen Defizit-Analysen zu optimieren, müssen wir die Menschen besser miteinander vernetzten und ihre Wahrnehmung sensibilisieren.« Dirk Müller, Baudirektor der Stadt Meppen, nannte ein Beispiel für Nachbesserungsbedarf: »Um mit den sich häufenden Sturzregenereignissen fertig zu werden, sind Antworten der Städteplaner nötig auf die Frage, wie die Niederschläge gesammelt werden können, ohne Schaden anzurichten, – möglicherweise sogar, um nutzbar gemacht zu werden.« Einig waren sich die Experten vor allem in der Forderung, dass kommunale Programme entwickelt werden müssen, auf die spezifischen geografischen und ökologischen Gegebenheiten zugeschnitten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.