Medwedjew warnt vor Machtversessenheit

Präsident und Premier demonstrieren Einigkeit

  • Lesedauer: 2 Min.
Moskau (dpa/AFP/ND). Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hat die Regierungspartei »Einiges Russland« eindringlich vor Machtversessenheit gewarnt. Zugleich forderte Medwedjew die von seinem Vorgänger Wladimir Putin geführte Partei zu mehr Offenheit auf.

Mit indirektem Verweis auf die von Fälschungsvorwürfen überschattete Kommunalwahl Anfang Oktober mahnte der Präsident, keine Partei dürfe ihr eigenes Wohl über das Allgemeinwohl stellen. »Demokratie ist für das Volk da, nicht für Parteien – weder für die Regierung, noch für die Opposition«, sagte Medwedjew während eines Parteitags von »Einiges Russland« in St. Petersburg am Sonnabend. Wer nach Veränderungen strebe, müsse sich auch selbst ändern wollen. Die oppositionellen Kommunisten nannten die Kritik des Staatsoberhaupts am Sonntag »reine Propaganda«.

Medwedjew warf besonders Provinzfunktionären der Partei »Intrigen und Rückständigkeit« vor. Die Partei müsse moderner und flexibler werden und lernen, den politischen Rivalen in offenen Debatten zu schlagen.

Ministerpräsident Wladimir Putin, zugleich Vorsitzender von »Einiges Russland«, ohne Mitglied zu sein, bereitete seine Landsleute in Petersburg auf »weiter schwierige Zeiten« vor. Die russische Wirtschaft werde in diesem Jahr voraussichtlich um 8,5 Prozent schrumpfen. Zugleich kündigte er eine Ausweitung der Hilfen für die darniederliegende Autoindustrie des Landes an. Demnach solle der Besitzer eines mindestens zehn Jahre alten Wagens bei Verschrottung einen Gutschein über umgerechnet 1200 Euro erhalten. Den Zuschuss gebe es aber nur beim Kauf eines in Russland hergestellten Fahrzeugs. Der Regierungschef unterstrich auch die Notwendigkeit zur Modernisierung der russischen Wirtschaft.

Putin lobte die Rede an die Nation seines Nachfolgers im Präsidentenamt, der vor kurzem eine Abkehr von »altem sowjetischen Denken« gefordert hatte. Der Präsident habe die Frage nach einer »notwendigen, gründlichen Modernisierung des Landes« gestellt, sagte Putin vor dem Parteigremium. »Ich bin sicher, dass dieser Ruf der Stimmung in der ganzen russischen Gesellschaft entspricht.« Die Wirtschaftskrise habe gezeigt, dass es ein Land teuer zu stehen komme, sich der Innovation zu verweigern, Ressourcen zu verschwenden und zu viel Bürokratie zu haben.

Mit seinem Reformbekenntnis trat Russlands Regierungschef zugleich Spekulationen um ein Zerwürfnis mit Präsident Medwedjew entgegen. Beobachter hatten dessen Rede an die Nation als Kritik an Putin gedeutet, der während seiner Amtszeit zwischen 2000 und 2008 die Einnahmen aus den hohen Ölpreisen nicht genutzt hatte, um Wirtschaftsreformen durchzusetzen.

Als weiteres Zeichen der Einigkeit trafen sich die beiden Männer an der Spitze Russlands nach ihrem gemeinsamen Auftritt beim Parteitag von »Einiges Russland« zu einem privaten Abendessen in einem Edelrestaurant in St. Petersburg. Alle staatlichen Fernsehkanäle zeigten anschließend Bilder der Zusammenkunft.

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