Haare schneiden zum Preis von 28 Euro

Handwerker reagieren skeptisch auf die Pläne für einen Mindestlohn

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei keinem Thema sind sich die Koalitionspartner SPD und LINKE so einig wie bei der Forderung nach Mindestlöhnen als Bedingung für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Bald schon soll ein entsprechendes Gesetz vorliegen. Doch müssen die Sozialdemokraten und die Sozialisten mit Widerstand und Vorbehalten rechnen.

Auf einem Treffen mit den Spitzen der Handwerkskammern im Potsdamer Kutschstall verteidigte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) kürzlich dieses sozialpolitische Ziel seiner Regierung. Aus seiner Sicht wird die Wirtschaftskraft in Brandenburg auch von der vorgesehenen verpflichtenden Bezahlung von Mindestlöhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge profitieren. Vollbeschäftigte müssen ihre Familien ernähren können. »Sonst verabschieden sich noch mehr – und das wird die ganze Gesellschaft betreffen.«

Der Präsident des Handwerkskammertages, Bernd Ebert, gab zu bedenken: »Wer den Mindestlohn fordert, der erhöht die Preise für den Verbraucher. Und jede Preiserhöhung kostet Aufträge.« Friseur-Meisterin Nicole Krebs wird beim Thema Mindestlohn nachdenklich: »Dann müssten wir 28 Euro für das Haare schneiden fordern. Welcher Mann wird das mitmachen?« Ihre Branche habe schon heute mit Schwarzarbeit zu kämpfen. »Da sind wir so verlassen.« Vor einiger Zeit hatte der Präsident der Handwerkskammer Ostbrandenburg, Klaus-Harald Krüger, Augenmaß gefordert. »Wie lange muss ein Handwerker arbeiten, um sich eine Handwerkerstunde leisten zu können?«

Der Ministerpräsident bekannte sich offensiv zu seiner Entscheidung, mit den LINKEN zu koalieren. Dabei handle es sich um ein »nüchternes Zweckbündnis«, bei dem auch Differenzen überdauern werden. Offenbar musste er bei der Gelegenheit auch mal abladen, was ihm schwer auf der Seele lag. Wenn man einigen seiner heutigen Kritiker zuhöre, »dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass jetzt in Brandenburg der Stillstand der Rechtspflege ausbricht, dass der Untergang des Abendlandes eine beschlossene Sache ist und demnächst kleine Kinder auf der Straße weggefangen werden«, beschwerte sich der Regierungschef. Ausdrücklich warb er für seine Entscheidung pro Linkspartei um Verständnis bei den Handwerkern. Wenn inzwischen über die Hälfte der Ostdeutschen sowohl von der Demokratie als auch von der sozialen Marktwirtschaft enttäuscht seien, müsse die Politik reagieren.

Freundliche Worte fand Platzeck für den neuen Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE): »Viele von Ihnen kennen ihn.« Befragt, was er für das Handwerk tun wolle, versprach der frischgebackene Wirtschaftsminister Christoffers, sich der schwierigen Eigenkapitalsituation vieler Handwerker stärker zuwenden zu wollen. Der Zugang der Unternehmer zu Krediten soll verbessert werden. Aufwerten wolle er auch den Bereich Fachkräftesicherung. »Da muss es Gespräche geben.«

Handwerker-Präsident Ebert machte deutlich, dass es keine Vorurteile gegenüber der rot-roten Regierung bei den Handwerkern gebe. »Die Regierung wird von uns an dem gemessen, was sie entscheidet.« Und ohnehin ende die 100-tägige Schonfrist für die neue Regierung erst am 14. Februar kommenden Jahres. Aus Handwerkersicht wäre zu raten, dass »die Schulden überschaubar bleiben«, sagte Ebert. Angesichts des Vorhabens, 11 000 Stellen im Landesdienst abzubauen, empfahl der Präsident, »Maß zu halten, damit nicht am Ende noch die Landesregierung und ein Pförtner übrig bleiben«. Von der Wirtschaftspolitik erwarte er, dass die Förderung im ganzen Land attraktiv bleiben möge und nicht den Charakter der »Zonenrandforderung« annimmt, wie es sie in der alten Bundesrepublik gab.

Irritiert habe die Handwerker, dass ihnen im neuen Koalitionsvertrag wenig Gewicht beigemessen worden war. Ebert erinnerte daran, dass 60 Prozent aller Unternehmen im Land Handwerksunternehmen sind und sie mit einer Milliarde Steuer-Euro eine unverzichtbare Quelle des Fiskus darstellen. Er würdige freilich auch, dass die Landesregierung dieses Manko in ihrer später abgegebenen Regierungserklärung mit der immerhin sechsfachen Nennung des Handwerks ausgeglichen hat. Ausdrücklich gab Platzeck seinem Vorredner Recht und versprach, bei der nächsten Gelegenheit werde er das Handwerk zwölf Mal erwähnen.

Platzeck ging auf den Umstand ein, dass das Handwerk mit dem Ausbildungsstand vieler Lehrlinge nicht zufrieden ist. Auf jeden Fall müssten die Kinder schon in der Schulzeit näher an den beruflichen Alltag geführt werden, meinte der Ministerpräsident. Das würde bei ihnen auch die Motivation dafür stärken, Chemie, Physik und Mathematik zu lernen. Praxislernen werde gefördert – »und ob es wieder UTP heißt, ist völlig egal«. UTP war der »Unterrichtstag in der Produktion«, hieß später Praktische Arbeit (PA) und gehörte in den DDR-Schulen zu den Pflichtfächern.

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