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Staat stockt Lehrstellen auf
Weniger Bewerber, doch überbetriebliche Ausbildungsplätze nötig
Von den rund 15 000 Schulabgängern des Jahres konnten die meisten mit einer Lehrstelle versorgt werden. Trotz des Sinkens der Bewerberzahlen musste die öffentliche Hand im Rahmen des Bund-Länder-Programms auch in Brandenburg erneut überbetriebliche Ausbildungsplätze bereitstellen.
Nach Abschluss des Beratungsjahres gab es laut Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) in Brandenburg 505 »unversorgte« Jugendliche, denen 775 unbesetzte Ausbildungsplatzangebote gegenüberstehen. »Rechnerisch erhält jeder ausbildungsfähige Jugendliche ein Ausbildungsplatzangebot.«
Erneut wurden in Brandenburg insgesamt 1500 überbetriebliche Ausbildungsplätze angeboten. Zwar ist das kein Vergleich mehr mit dem Jahr 2006 beispielsweise, als 7500 Jugendliche auf diese Weise versorgt werden mussten. Doch zeigt sich, dass trotz rapide sinkender Absolventenzahl die regulären Ausbildungsbetriebe mit ihrem Angebot nicht ausreichen.
Wie Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vor einigen Tagen gegenüber Handwerkern erklärte, werden die Förder- und Beratungsinstrumente für Existenzgründer sowie der brandenburgische Ausbildungskonsens zur Fachkräftesicherung beibehalten. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) kündigte gegenüber den Kammern Gespräche an. Sein Augenmerk werde beispielsweise darauf liegen, dass die am Flughafenbau beteiligten Firmen ihrer Ausbildungspflicht nachkommen. Bei diesem Thema warf CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka der neuen Regierung vor, angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge und der immer schwieriger werdenden Lage auf dem Ausbildungsmarkt keine Strategie zu haben.
Der Präsident der Handwerkskammer Ostbrandenburg Wolf-Harald Krüger sieht auf die Lehrausbildung im Land düstere Zeiten zukommen und führt das auf die Novellierung der Handwerksordnung im Jahre 2004 zurück. Damals wurde der Meisterzwang für verschiedene Gewerbe – beispielsweise Fliesenleger – aufgehoben. Krüger warnte: »Künftig werden wir zu spüren bekommen, dass in den zulassungsfreien Handwerken die Ausbildungsleistung drastisch zurückgegangen ist.« Dagegen würde das Bekenntnis zur regulären Meisterprüfung Arbeitsplätze, Qualität und Nachhaltigkeit sichern.
In den vergangenen 20 Jahren waren das größte Problem auf dem Ausbildungsmarkt die so genannten Altbewerber. Ihr Anteil an den unversorgten Bewerbern habe zeitweilig über 60 Prozent erreicht. Auf dem Höhepunkt vor zwei Jahren gab es in ganz Ostdeutschland 110 000 Altbewerber. Meist sind das Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht direkt nach erfolgreichem Schulabschluss mit der beruflichen Lehre beginnen. Neben einer gescheiterten Bewerbung um eine Lehrstelle können Wehrdienst, Zivildienst oder das Freiwillige Soziale Jahr Gründe dafür sein. Es gibt auch Jugendliche, die sich sofort für eine Arbeitsaufnahme entscheiden.
Die Landesregierung hofft, dass mit dem Sinken der Nachfrage nach Lehrstellen auch hier eine Entspannung eintritt. Nach der Wende waren die Geburtsraten in Ostdeutschland auf ein Drittel gefallen. Diese Jahrgänge verlassen nun die Schulen. Inzwischen wird nicht der Fachkräfteüberschuss, sondern der Fachkräftemangel als das Hauptproblem der Zukunft betrachtet.
Ein weiteres Problem ist es, dass ein wesentlicher Teil der brandenburgischen Lehrlinge zwar einen Ausbildungsplatz erhält, doch seine Ausbildung nicht beendet. Laut einem Fachbericht der Landesregierung sind meist Konflikte mit den Ausbildern und Betriebseignern Grund dafür. Dieser Quelle zufolge löst fast ein Viertel der Lehrlinge das Ausbildungsverhältnis vorzeitig.
Im Jahr 2007 wurde damit begonnen, die Zahl der Ausbildungsberufe in Deutschland drastisch zu reduzieren. Von damals rund 350 Ausbildungsberufen sollen künftig nur noch zwischen 50 und 100 übrig bleiben. Damit wird eine Bewegung gestoppt, in deren Zuge in den vergangenen 10 Jahren enorm viele Ausbildungsberufe hinzugekommen sind.
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