SA-Gefängnis zur Gedenkstätte
Ausstellung in der Galerie Olga Benario zum Folterzentrum Papestraße
»Die frühen Orte des nationalsozialistischen Terrors von 1933 sind erst in den letzten zehn Jahren von der Forschung bedacht«, beginnt Prof. Stefanie Endlich ihren Vortrag über Konzentrationslager in der Anfangszeit des NS-Regimes in der gut besuchten Galerie Olga Benario in der Neuköllner Richardstraße. Zu den frühen Lagern, die sich wesentlich von denen ab 1936 unterschieden, aber schon zeigten, »wie schnell Demokratie verloren geht«, gehörte in Berlin das SA-Gefängnis Papestraße.
Bis zum 10. Januar zeigt die Galerie in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Gedenkstätte Papestraße und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA die Ausstellung »Endlich Gedenkstätte!(?). Das SA-Gefängnis Papestraße«. 1933 befand sich in den ehemaligen Schöneberger Eisenbahnerkasernen an der General-Pape-Straße das Gefängnis der sogenannten »Feldpolizei«, einer Sondereinheit der SA-Führung. Insgesamt wurden dort nach vorsichtigen Schätzungen von März bis Dezember 1933 mindestens 2000 Menschen – mehrheitlich politische Gegner der Nazis - inhaftiert. Viele von ihnen wurden gefoltert, Dutzende ermordet. Die Verhafteten kamen aus allen Berliner Bezirken, auch wenn es einen deutlich erkennbaren lokalen Bezug nach Schöneberg gab.
Unter den Inhaftierten waren viele KPD- und SPD-Mitglieder, Gewerkschafter, jüdische Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten. Anders als in vergleichbaren Haftstätten der NS-Frühzeit waren in der Papestraße auch Frauen inhaftiert. Zu ihnen gehörte die Kreuzberger Widerstandskämpferin Minna Fritsch. Ihr Schicksal und das weiterer Insassen wird exemplarisch in der Ausstellung vorgestellt. Die Frauen wurden getrennt von den Männern in einem Kellerraum festgehalten. Ebenso existierte ein eigener Haftraum für Angehörige der SA und NSDAP, die wegen tatsächlicher oder vermeintlichen Dienstvergehen einsaßen.
Das Gefängnis blieb lange vergessen. Erst zu Beginn der 1990er Jahre wurde es durch eine Geschichtswerkstatt wiederentdeckt und 1995 in einer Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Seitdem wird gefordert, dort in den authentischen Räumen eine Gedenkstätte einzurichten. Die Chronik des langen Weges zur Gedenkstätte beginnt für die Initiatoren aber bereits 1980, als bei ersten antifaschistischen Stadtrundfahrten mit ehemaligen Häftlingen des KZ Sachsenhausen, Emil Ackermann und Wolfgang Szepansky, Stätten des NS-Terrors, darunter die General-Pape-Straße, erkundet wurden. Es wurde eine Gedenktafel angebracht, später die Geschichtswerkstatt und 2008 der Förderverein gegründet. Schon 2003 hatte die BVV Tempelhof-Schöneberg einstimmig für eine Gedenk- und Begegnungsstätte auf dem Gelände votiert. Nun hat das Bezirksamt einen Förderungsantrag gestellt, nachdem der der Stiftung Topografie des Terrors abgelehnt wurde. Mit einer Entscheidung ist Anfang 2010 zu rechnen.
Bis dahin begleiten Veranstaltungen die Ausstellung. So wird am heutigen Donnerstag um 19.30 Uhr der Dokumentarfilm »Straße im Widerstand« von 1975 gezeigt. In ihm wird in Gesprächen mit ehemaligen Bewohnern der Charlottenburger Wallstraße, der heutigen Zillestraße, der proletarischen Vergangenheit des Quartiers, das im dokumentarischen Roman »Unsere Straße« von Jan Petersen beschrieben ist, nachgegangen. Viele der im Roman oder späteren Erzählungen erwähnten Personen waren Insassen im SA- Gefängnis Papestraße.
Weitere Veranstaltungen beschäftigen sich mit der Köpenicker Blutwoche im Juni 1933 (3.12.), dem Widerstand junger Frauen in Neukölln (10.12.) oder dem KZ Columbia, das sich bis 1936 auf dem jetzt stillgelegten Flughafen Tempelhof (17.12.) befand. Hier waren rund 4000 Zwangsarbeiter in der NS-Rüstungsproduktion eingesetzt.
Galerie Olga Benario, Richardstr. 104, 12043 Neukölln, geöffnet donnerstags ab 19 Uhr, Veranstaltungsbeginn 19.30 Uhr und auf Anfrage, Tel.: 68 05 93 87 o. 626 16 51,
Informationen im Internet bei: www.galerie-olga-benario.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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