Jazzgrößen im Fotoporträt
Das Jüdische Museum ehrt zum 70. Geburtstag das Label Blue Note Records
Viel ist nicht bekannt über Alfred Lion, kaum mehr über Francis Wolff. Dabei gilt ihr 1939 in New York gegründetes Jazzlabel Blue Note Records als legendär, hatte in den 1950er, 1960ern seine Glanzzeit als renommiertestes Hardbop-Label weltweit. Sie arbeiteten mit noch unbekannten farbigen Musikern, ließen sie eigene Ideen gestalten, bezahlten außer den Aufnahmen auch die Proben. Dieser soziale Aspekt mag dem privaten Schicksal der zwei Jazzfans geschuldet sein, wie es Kuratorin Theresia Ziehe für die Ausstellung »It must schwing. Blue Note – Fotografien von Francis Wolff und Jimmy Katz« im Jüdischen Museum erforscht hat.
Geboren wurden Jakob Franz Wolff 1907, Alfred Walter Lion 1908 nahe dem Lützowplatz in Berlin, lernten sich Anfang der 1920er kennen. Sie entdeckten ihre Leidenschaft für den Jazz, bei Lion ausgelöst durch ein Konzert von Sam Wooding and his Chocolate Kiddies 1925 im Admiralspalast.
Über Chile emigrierte Lion 1933 nach New York, 1939 gelang auch dem Fotografen Wolff die Flucht dorthin. Wieder gab ein Konzert den Ausschlag: Zwei Boogie-Woogie-Pianisten begeisterten Lion derart, dass er ein Studio mietete, mit ihnen Platten aufnahm. Blue Note Records war gegründet, abgeleitet von der Bezeichnung für einen Ton, der außerhalb des klassischen Harmoniesystems liegt und den Bluescharakter von Melodien prägt. Rasch wurde Wolff dem Produzenten Lion ein kongenialer Geschäftspartner. Mit der Kamera begleitete er die Studioarbeit, schuf so eine singuläre Dokumentation von etwa 30 000 Schwarzweißporträts zum Jazz jener Ära. 1966 verkaufte Lion das Label, 1984 startete es unter anderer Leitung mit Nachauflagen und Neuproduktionen. Seit 1993 fotografiert Jimmy Katz, beeinflusst von Wolff, für Blue Note. Beide, Wolff und Katz, sind mit ihrem OEuvre in der Ausstellung zum 70. Firmengeburtstag vertreten.
Bei Eintritt strahlt Wolff auf einem Porträtfoto, zeigt sich Lion während des Militärdiensts mit Platten unterm Arm. Dann passieren sie auf rund 70 chronologisch geordneten Fotos Revue, die Stars der Jazzszene. Dass Wolff sie sich jeweils aus dem abgedunkelten Raum schälen lässt, ihnen bisweilen näher rückt, als es der Tontechnik lieb sein konnte, schafft Porträts von unverwechselbarer, auf Künstler und Moment fokussierter Intensität. Mit geblähten Wangen bläst Fats Navarro Trompete, breitbeinig sitzt Clifford Brown im gespannten Dialog mit dem gleichen Instrument. Schön wie ein schwarzer Apoll gibt sich Miles Davis, die Posaune rastert beim Spiel J. J. Johnsons Gesicht, ganz versunken wirkt Thelonious Monk am Piano, mit aufgestütztem Kopf sucht Herbie Hancock den rechten Ton. Selten nur wie bei Andrew Hill blickt der Fotograf von oben auf sein Subjekt. Taucht im Wolffschen Kosmos keine einzige Frau auf, so porträtiert Katz, neben Männern wie Wynton Marsalis und Al Grey, auch herzlich lachend Cassandra Wilson und inmitten eines Meeres aus Notenblättern Dianne Reeves. Die Spannung bei Wolff bleibt indes unerreicht. Per Audioguide sind den Fotos Hörbeispiele zugeordnet, etwa 30 Plattencover stehen für das Endergebnis von Blue Note.
Bis 7.2., tägl. 10-20 Uhr, Jüdisches Museum, Lindenstr. 9-14,
Kreuzberg, Infos im Internet unter: www.jmberlin.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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