Deutschland unterm Schnitt
Arbeitskosten stiegen im europäischen Vergleich erneut geringer
28,50 Euro im Schnitt kostet eine Arbeitsstunde hierzulande in der Privatwirtschaft. Trotz der in 2008 etwas kräftigeren Lohnentwicklung liegt Deutschland im europäischen Arbeitskostenvergleich damit auf Platz 8. Spitzenreiter ist Dänemark vor Luxemburg mit Arbeitskosten von 36 bzw. 34,50 Euro pro Stunde, auf den letzten Plätzen rangieren Polen (8,10 Euro) und Ungarn (7,70 Euro).
Wettbewerb mit Billiglöhnen
In der Tendenz seien die deutschen Arbeitskosten gegenüber den anderen EU- und Eurozone-Ländern in den letzten Jahren immer weiter gesunken, sagte IMK-Direktor Gustav Horn am Montag bei der Vorstellung der Studie in Berlin. So stiegen erstere laut Studie im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent, in der Euro-Zone dagegen um 3,5 Prozent.
Zu den Arbeitskosten zählen neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen sowie als Arbeitskosten geltende Steuern.
Die Lohnstückkosten, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung setzen, hätten in der Bundesrepublik zwischen 1998 und Mitte 2008 sogar stagniert, während sie in EU-Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, Polen, Spanien oder Dänemark um 20 bis 35 Prozent gestiegen seien, heißt es in der Studie. Deutschland habe seine internationale Wettbewerbsfähigkeit dadurch in den vergangenen Jahren immer weiter steigern können, sagte Gustav Horn. Diese Entwicklung sei jedoch problematisch. Bei der allgemeinen wirtschaftlichen und der Lohnentwicklung hinke man im europäischen Vergleich zurück.
Neben dem allgemeinen Druck auf die Löhne trage dazu auch die ungleiche Verteilung der Arbeitskosten bei. So seien diese im eher exportorientierten verarbeitenden Gewerbe weitaus höher als im Dienstleistungsbereich, so Horn. Der Studie zufolge beträgt die Differenz rund 20 Prozent. In keinem anderen EU-Land ist die Spreizung höher.
Die Kehrseite dieser Entwicklung zeige sich jetzt, so Horn: »Die Nachfragekrise auf den Weltmärkten hat Deutschland stärker getroffen als Länder mit einer besser ausbalancierten Wirtschaft.« Der Wissenschaftler hält daher eine politische Grundsatzdebatte über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung für nötig. Dagegen sei weiterer Lohndruck, wie er in der anhaltenden Krise ausgeübt wird, nicht sinnvoll. Zwar seien im ersten Quartal 2009 durch die Kurzarbeit die Lohnstückkosten gegenüber dem Vorjahreszeitraum zum ersten Mal deutlich gestiegen. Der Anstieg sei jedoch vorübergehend und bilde sich derzeit schon wieder zurück.
Höhere Mehrwertsteuer verbietet sich
Ebenfalls für nicht sinnvoll hält Horn eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie sie von der schwarz-gelben Bundesregierung trotz gegenteiliger Wahlversprechen in dieser Legislaturperiode zu erwarten sein dürfte. Die letzte Erhöhung habe eine negative Lohnentwicklung in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs zur Folge gehabt, erklärte Horn. Den Satz gerade jetzt weiter heraufzusetzen, verbietet sich nach Meinung des Wissenschaftlers von selbst.
Für ihre in diesem Jahr zum vierten Mal veröffentlichten Studie nutzten die IMK-Forscher die neuesten verfügbaren Zahlen der EU- Statistikbehörde Eurostat.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.