Zwischen Flucht und Verweilen
Mit »display life« tanzt sich Rubato in der HALLE durchs Leben
Es sollte ein Stück allgemein über Räume und Gegenräume werden, verschwindende und wieder auftauchende, liest man im Programm. Dass es doch wieder ein Stück von Rubato über Rubato geworden ist, nimmt man am Ende dankbar zur Kenntnis. »display life« zeigt 60 Minuten lang die Suche nach dem, was man Leben nennt und was wohl für Jutta Hell und Dieter Baumann, die seit fast 25 Jahren unter Rubato firmieren, auch das lange gemeinsame Leben ausmacht.
Die Szene der HALLE haben sie für »display life« zur veritablen Bühne umgestaltet: Schwarze Aushängung bis zur Decke umgibt die kleinere weiße Spielfläche, die in einem ebenfalls weißen Vorhang ausläuft. Auf der Weißfläche kommt es zu Treffen, um sie herum führt ein Wanderweg, der die Wanderer hinter dem Vorhang verschwinden, dann wieder sichtbar werden lässt. Er steht für den Lebensweg schlechthin, für das Vorwärtsgehen, aus dem heraus es Haltepunkte, Verweilen gibt.
Zunächst geht jeder separat seinen Weg, dann sind beide Tänzer zugleich sichtbar, ihr Abstand wird enger. Wer die Weißfläche entert, legt einen Zwischenstopp ein, wird zeitweise sesshaft, der andere verharrt in selber Höhe auf dem Umweg. All das vollzieht sich in der Stille, verlangt vom Zuschauer viel Konzentration.
Als Hell und Baumann nach wiederholten Um-Gängen beide die Fläche betreten, ziehen sie sofort wie zum Schutz vor zu viel Nähe die Kapuzen ihrer Jacken über den Kopf: Aus gegenseitigen Schlägen auf die Brust erwächst eine Art Lebensrhythmus, der alsbald gemeinsamem Pfeifen Platz macht. Zu Armschwüngen Dieter Baumanns liefert dann Jutta Hell in gebührendem Abstand den Tretrhythmus: eng, weit, wie eine Lebensmaschinerie. Kurzzeitig entschwinden beide hinter Vorhangfalten, doch der Entzug währt nicht lange.
Rubato wären nicht die lebensreifen Tänzer, wüssten sie nicht, dass Fluchten auch Zeiten des Miteinanders folgen müssen. Hier beginnt es mit Hells schlichter Bauchlage, Baumann setzt sich auf sie, legt sich dann ausgestreckt. Beide rollen, Körper auf Körper, mit gefassten Händen die gesamte Fläche nach hinten, jeder mal oben und unten – die schönste Sequenz eines ganz auf Zeitlupe setzenden Abends. Erneut löst sie die Form auf, für beide wird die Kapuze wieder zur Rückzugsmetapher, doch Flucht geht nicht mehr.
Mit dem Rücken zum Zuschauer stehen am Ende die Tänzer. Ihre Hände jedoch finden sich, und über ablenkend lässigem Pfeifen macht sie Jochen Massers Licht erst zur Silhouette, bevor er sie ganz fortwischt.
Wieder 3.-6.12., 20 Uhr, HALLE, www.halle-tanz-berlin.de
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