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Häppchen aus dem Audioguide

Temporäre Kunsthalle präsentiert in der Gruppenschau »Zeigen« über 500 Berliner Künstler

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Häppchen aus dem Audioguide

Die Temporäre Kunsthalle klotzt. Die neue Ausstellung »Zeigen. Eine Audiotour durch Berlin von Karin Sander« sei die weltweit größte Gruppenausstellung Berliner Künstler, verkündete stolz Angela Rosenberg, die kuratorische Managerin des Kunstkubus auf dem Schlossplatz. Über 500 in Berlin arbeitende Künstler haben auf Anfrage der Konzeptkünstlerin Karin Sander ein- bis zweiminütige Audio-Beiträge zur Verfügung gestellt, die einen detaillierten Überblick über das Berliner Kunstschaffen bieten.

»Ungefähr zehn Prozent aller Künstler der Stadt sind in dieser Ausstellung vertreten«, sagte Rosenberg. Wer in Quantitäten denkt und Häppchen schätzt, sollte daher unbedingt seinen Fuß in die bis zum 10. Januar laufende Ausstellung setzen. Doch auch Liebhaber minimalistischer Genüsse kommen auf ihre Kosten.

Betritt man den großen Saal, so ist man von dessen Leere überwältigt. Keine Objekte stellen sich in den Blick. Die Wände sind nackt. Der Raum ist ein idealer weißer Kubus. Einzige Manipulation ist ein auf Augenhöhe umlaufendes feines, regelmäßig unterbrochenes, schwarzes Band aus Buchstaben und Zahlen. Hier sind in alphabetischer Reihenfolge die Namen der beteiligten Künstler angebracht und mit einer fortlaufenden Nummer versehen. Gibt man auf dem am Eingang überreichten Audioguide die entsprechende Zahlenkombination ein, so erklingt das Hörwerk des ausgewählten Künstlers.

Manchmal weist dies lediglich informativen Charakter auf. Stephanie Bürkle etwa beschreibt den Entstehungsprozess ihres Projekts »Placemaking«, das den Fall der Mauer aus nicht-deutscher Sicht untersucht. Der Fotograf Arwed Messmer wählte einen Feature-Beitrag aus, der seinen Bildband über die einstige Brache des Potsdamer Platzes hörbar macht.

Der Bildhauer Gerold Miller ist da formal ambitionierter. Er nennt die Schlosser und Lackierer, die an der Fertigung seines »Total Object 59« beteiligt waren. Ganz auf Klang setzen Pash Buzari, Maike Sander und Timm Ulrichs. Ersterer zerbricht laut knirschende Materialien vor dem Mikrofon. Sander zerreißt Papier und Ulrichs führt geräuschvoll Klebeband am Tonabnehmer vorbei. Bei diesen Tönen schärfen sich die Sinne. Eher betäubt werden sie bei dem hohen C, das David Zink in die Ohrmuschel jagt. Zu einer besonderen Hörsafari lädt Bogomir Ecker ein. Im Dschungel von Kambodscha ist er auf eine Käferart gestoßen, die ein Geräusch erzeugt, das es an Unerträglichkeit mit Zinks hohem C durchaus aufnehmen kann.

Die schönsten Fluchten aus dem temporären White Cube in der Mitte Berlins haben Via Lewandowski und Frauke Eigen geschaffen. Eigen leitet den Hörer über Richtungsanweisungen, die ihn endlich einmal von der weißen Wand wegführen, in einen Tempel des alten Edo. Lewandowski fordert zu Gesichts-Yoga auf. Wem in der Ausstellung heftig grimassierende Besucher entgegenkommen, der kann sich sicher sein, dass diese die Nummer 319 eingegeben haben. Insofern entstehen bei dieser Ausstellung, die ganz das individuelle Versenken betont, doch dialogische Momente.

»Zeigen« ist akustisch und – wegen des konsequenten Minimalismus – auch visuell reizvoll. Tieferen Gestaltungswillen lässt die Kuratorin Katrin Sander aber vermissen. So hat sie ohne jeden Unterschied alles, was rechtzeitig ankam, in die Ausstellung integriert. Es ist ihr, wie sie selber sagt, nicht gelungen, alle Beiträge vorher einmal zu hören. Mit der simplen alphabetischen Sortierung beraubte sie sich zudem der Möglichkeit, thematische Bezüge zwischen einzelnen Arbeiten herzustellen. Sie setzt ganz auf den Reiz der zufälligen Nachbarschaft.

Die räumliche Komponente geht dabei allerdings verloren, weil sich die Hörstücke eben nicht auf die Plätze an der Wand beziehen, an denen die Künstlernamen stehen. Alle Werke sind als Tonkonserve in den Audioguides abgelegt und können daher an jedem Ort gehört werden. Die Ausstellung, die den gemeinsamen Arbeitsort Berlin zum verbindenden Glied aller Künstler macht, ist selbst vollkommen ortlos und könnte auch als Soundinstallation im Internet abgelegt werden.

Die Kunsthalle macht sich dadurch als Präsentationsplattform tendenziell überflüssig. Das ist nicht gerade schlau gedacht.

Temporäre Kunsthalle, Schlossplatz, bis 10.1., täglich 10-18 Uhr, Do. 10-22 Uhr, Eintritt frei, Infos unter www.kunsthalle-berlin.com

Die Temporäre Kunsthalle – unendliche Weiten
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