Wie die Axt im Stadtwalde

In Sachsen sollen Bäume leichter gefällt werden dürfen – Naturschützer sind entrüstet

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsen will die Regierung das Abholzen von Bäumen in Städten erleichtern: Hausbesitzer sollen ohne Behördenanfrage zur Säge greifen dürfen. Naturschützer kündigen Widerstand an, und innerhalb der Koalition könnte es Zank geben.

Manchmal braucht es nur ein wenig Geschick der Planer, um einen alten Baum zu retten: Im erzgebirgischen Annaberg-Buchholz wurde die Einfahrt eines Parkhauses um 2,80 Meter versetzt, was eine formidable Kastanie vor der Säge bewahrte. Sie hatte unter besonderer Obhut der Naturschutzorganisation BUND gestanden – sowie dem Schutz einer Baumschutzsatzung, die das Abholzen größerer Bäume nur unter strengen Bedingungen überhaupt erlaubt.

Künftig könnte im Freistaat zügiger zur Motorsäge gegriffen werden. Der Grund: Die Koalition von CDU und FDP will eine Klausel im Naturschutzgesetz ändern, mit der in Städten und Gemeinden der Erlass von Baumschutzsatzungen geregelt wird. Diese schreiben in der Regel vor, dass Bäume ab einem bestimmten Stammumfang nur mit Genehmigung der Behörden gefällt werden dürfen, in Dresden etwa ab 30 Zentimeter bei Nadel- und Laub- sowie ab 60 Zentimeter bei Obstbäumen. Künftig, so hat es das Regierungsbündnis im Koalitionsvertrag festgelegt, könnten Wohngrundstücke und Kleingärten davon ausgenommen werden.

Auf die Gesetzesänderung drängen vor allem private Hausbesitzer sowie in deren Namen die FDP im Landtag. Sie beklagen einen hohen bürokratischen Aufwand, weshalb die Änderung im Koalitionspapier im Abschnitt »bürgernahe Verwaltung« aufgelistet wird. Naturschützer dagegen fürchten die sprichwörtliche Axt im Walde: Viele große Bäume, die womöglich Neubauten im Wege stehen, könnten abgeholzt werden. »So ein Baum benötigt 150 Jahre, um groß zu werden«, sagt Hans-Jürgen Hardtke, der Vorsitzende des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz: »Umgesägt ist er in zehn Minuten.« Die alten Bäume seien »unverzichtbar für ein attraktives Wohnumfeld«.

Für den Schutz der oft mehr als 100-jährigen Eichen, Buchen oder Linden sprechen nicht nur ästhetische Gründe: Sie bieten zudem Lebensraum für viele andere Tier- und Pflanzenarten und sorgen für ein gutes Stadtklima. Mit einer Lockerung des Baumschutzes widerspreche die Koalition sogar ihren eigenen, ebenfalls im Vertrag fixierten umweltpolitischen Zielen, sagt Karl Mannsfeld, Ex-Abgeordneter der CDU und Minister. Vor allem die FDP müsse sich entscheiden, »ob sie Stadtgrün will oder aber Baumfällaktionen«.

Seine eigene Partei mahnt der Unionspolitiker, von der Novelle »Abstand zu nehmen« – wie bereits in der vorigen Legislaturperiode, als der Gehölzschutz zunächst am »Paragrafenpranger« geopfert werden sollte, dann aber doch erhalten blieb. Mansfeld verweist auf eine Empfehlung des Fachausschusses Umwelt beim CDU-Landesvorstand an die Landtagsfraktion. Folgt diese dem Rat, droht indes Krach im Regierungsbündnis: Die FDP ist vehementer Befürworter einer Lockerung des Gesetzes.

Dass dieses für viel Frust sorgt, räumen selbst Naturschützer ein. Auslöser sei zum einen eine »fehlende Vorbildwirkung der öffentlichen Hand«, sagt Jörg Urban von der Grünen Liga. Während Privatleute einen »Genehmigungsmarathon« durchlaufen müssten, »holzen die Städte ab wie wild«. Urban erinnert an die vielen Bäume, die dem Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden zum Opfer fielen, darunter eine lange besetzte, fast 300 Jahre alte Rotbuche.

Ärger löst aber auch die häufig »restriktive Handhabung« der Satzungen aus, räumt Mannsfeld ein und empfiehlt eine Überarbeitung. Die Behörde solle binnen 14 Tagen mitteilen, ob ein Baum gefällt werden darf und wo eventuell ein neuer zu pflanzen ist, sagt Urban.

Was passiert, wenn die Regelung gänzlich fällt, ist in Görlitz zu besichtigen. Dort wurde 2003 der Baumschutz gelockert. Jetzt gibt es »viele Lücken im Stadtbild«, sagt Gottfried Mann vom BUND: Vor allem alte Eichen fielen der Kettensäge zum Opfer. 2008 wurde daher teilweise zurückgerudert. Folgen andere Städte dem Beispiel, wären die Konsequenzen fatal. Allein in Dresden stehen auf den betroffenen Privatgrundstücken 600 000 Bäume; in öffentlichen Parks und auf städtischen Flächen sind es nur 50 000, an Straßen 45 000.

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