Jamaika von Potsdam weit weg

FDP wünscht sich angesichts von Stasi-Fällen Neuwahl, weiß aber nicht, wohin das führen soll

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Andreas Büttner
Andreas Büttner

Eine Neuwahl hat die FDP wegen der Stasi-Fälle in der Landtagsfraktion der Linkspartei gefordert. Doch anscheinend dachten die Liberalen nicht so genau nach, wohin das führen soll. Es sei eine etwas spontane Idee gewesen, räumte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz gestern ein. Zwar möchten die Liberalen bei der nächsten Landtagswahl besser abschneiden und auch Regierungsverantwortung übernehmen, wie der Landesvorsitzende Heinz Lanfermann sagte. Doch die Zahlen sprechen derzeit dagegen. Es reicht für keine der denkbaren Koalitionen, in denen die FDP zum Zuge kommen könnte. Auch ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen ist nicht drin. Die dafür nötige Zahl der Abgeordneten gibt es nicht und würde es auch nicht geben, wie eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage beweist. Eine Variante wie im Saarland – also Jamaika – wäre aus Sicht der brandenburgischen Liberalen zu überlegen. Sie müssen sich aber nicht den Kopf darüber zerbrechen. Sie müssen nicht nachdenken, was wäre, wenn alle drei Oppositionsparteien zulegen. Der Abstand von Jamaika bis zu einer Landtagsmehrheit ist einfach zu groß.

»Wir sind und bleiben Opposition«, weiß Fraktionschef Goetz. Trotzdem scheint ihm der Gedanke an Jamaika zu gefallen. Die Differenzen mit den Grünen seien gar nicht so groß, wie gemeinhin angenommen, betont er. Berührungspunkte gebe es in der Frage der Grundrechte und der Grundfreiheiten und dies solle man nicht gering einschätzen. Die Nähe zur CDU ist selbstverständlich und wird von der FDP auch bestätigt.

Die Frage, ob die FDP zur Verfügung stehen würde, wenn Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die rot-rote Koalition aufkündigen sollte, stellt sich nicht. Die Sitzverteilung lässt eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen nicht zu. Es fehlen zwei Stimmen.

SPD und Linkspartei büßten der Umfrage zufolge jeweils drei Prozent ein. Eine Mehrheit haben sie jedoch auch damit noch. Die FDP kann es sich also getrost auf den Oppositionsbänken bequem machen. Von denen kommt sie nicht so schnell runter, zumal Ministerpräsident Platzeck vielleicht von zusätzlichen Stasi-Fällen verschont bleibt. »Wer weiß, was noch kommt«, meint Goetz. Doch angeblich gibt es in der Linksfraktion keine weiteren Fälle, heißt es jetzt unter Journalisten. Möglicherweise tauchen noch Akten über Abgeordnete anderer Fraktionen auf, aber das wäre dann nicht mehr das Problem der Sozialisten.

Ein Gesetz zu beschließen, das es dem Potsdamer Landtag erlaubt, Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit das Mandat zu entziehen, halten Goetz und Lanfermann übrigens für rechtsstaatlich unmöglich. Auch ein Gesetz, das ihnen die Kandidatur untersagen würde, wäre hoch problematisch, findet Lanfermann.

Derweil wechselt die FDP ihren Generalsekretär aus. Hans-Peter Goetz, der den Job zweieinhalb Jahre machte, will sich auf seine Arbeit als Fraktionschef konzentrieren. Sein Nachfolger soll der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner werden. Der 36-Jährige war bis zu seinem Einzug ins Parlament Polizeibeamter in Berlin. Seit 1997 pendelte er von Templin zur Arbeit in die Hauptstadt. Täglich drei Stunden verbrachte er im Zug.

Büttners Eltern stammen aus jenem Teil Brandenburgs östlich der Oder, der heute zu Polen gehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten die Eltern einige Jahre in der DDR. Sie flüchteten in den 50er Jahren in die Bundesrepublik, »um in einem freiheitlichen System zu leben«, wie in Andreas Büttners Biografie steht. Er selbst kam in Kassel zur Welt. Deswegen geht er auch davon aus, dass es von ihm keine Stasi-Akte gibt. Den Antrag auf Überprüfung durch die Birthler-Behörde stellte er trotzdem, so wie alle Abgeordneten der Opposition, die sich angesichts der Stasi-Vorwürfe in der vergangenen Woche zu einer gemeinsamen Fraktionssitzung trafen. Eine solche Jamaika-Sitzung hatte er vorher in keinem bundesdeutschen Landtag gegeben. Der FDP-Fraktionschef betont aber: »Wir sind keine Jamaika-Opposition, auch wenn das ein schönes Farbenspiel ist.« Als Beispiel dafür, dass die Blöcke Regierung und Opposition nicht so fest gefügt seien, erzählte Goetz von der Kleinmachnower Schleuse. Das Bundesschifffahrtsamt will diese Schleuse auf 180 Meter ausbauen. Er sei dagegen, die Grünen seien es und die Umweltministerin Anita Tack (LINKE) auch. Wenn es zu einem Antrag im Landtag komme, würde man gemeinsam stimmen. Wie SPD und CDU votieren würden, da sei er sich nicht so sicher.

Der designierte Generalsekretär soll bei einem Parteitag am 27. März zum echten Generalsekretär gewählt werden. Büttner ist FDP-Kreisvorsitzender und Kreistagsabgeordneter in der Uckermark. Er hat sich gegen eine Direktwahl des dortigen Landrats ausgesprochen, obgleich der FDP-Landesverband in der Vergangenheit für eine Direktwahl der Landräte Unterschriften sammelte.

Die FDP hatte 1990 in Brandenburg 14 000 Mitglieder. Doch viele, die den DDR-Blockparteien Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) und National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) angehörten, kehrten der FDP schnell den Rücken. Jetzt zählt die FDP 1620 Mitglieder. Das sind 105 mehr als am 1. Januar 2009. Seit der Wahl am 27. September sind 45 Leute eingetreten.

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