Rotlackierter Ku-Klux-Klan

Im Innenausschuss überbieten sich die Parteien in Verbalinjurien zu linksradikaler Gewalt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Sache sind sich alle Parteien einig. Nach den Attacken von Linksradikalen auf die BKA-Außenstelle, Parteibüros und das Bundeskanzleramt vom vergangenen Freitag bekannten sich gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses einmal mehr alle vertretenen Vereinigungen zur Ächtung von Gewalt als politischem Mittel an sich. Dennoch entspann sich zum Thema eine kontroverse Debatte, die mit einigen drastischen Äußerungen versehen war, die man bisher in der Diskussion über Gewaltaktionen von Autonomen nicht vernehmen konnte.

Ausgangspunkt der Diskussion war zunächst eine Studie zu linker Gewalt, die Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bereits vor einigen Wochen präsentiert hatte. Durch die jüngsten Attacken bekommt die Untersuchung des Verfassungsschutzes eine brisante Aktualität, obwohl sie linksradikale Gewalt lediglich bis Ende 2008 untersucht. Die oppositionelle CDU wollte gestern im Innenausschuss erfahren, welche Maßnahmen der rot-rote Senat gegen linke Gewalt aus der Studie ableiten würde.

Doch dazu kam es nur partiell. Innensenator Ehrhart Körting ging nur am Rande auf die Geheimdienst-Untersuchung ein. Stattdessen nutzte er die Möglichkeit, um seine persönliche Meinung zur linksradikalen Anschlagsserie kundzutun. Und die fiel drastisch aus. Neben einer Medienschelte, bei der Körting behauptete, dass einige Zeitungen die Gewalt von Links geradezu »verniedlichen« würden, bekam auch die LINKE Kritik ab: »Demokratische Parteien müssen alle Gewalt ächten und sich zur Gewaltfreiheit bekennen«, sagte der Innensenator in Richtung des Koalitionspartners. Körtings Argumentation zu der qualitativen und quantitativen Zunahme linker Gewalt in Berlin, aber auch in Hamburg oder Göttingen gipfelte schließlich im zitieren des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher über »rotlackierte Faschisten«. »Das trifft auch auf Teile der linksextremen Szene zu«, sagte Körting.

Zuvor hatte bereits der SPD-Abgeordnete Thomas Kleineidam erklärt, dass ihn einiges, »was in der linken Szene abläuft, an den Ku-Klux-Klan« erinnere. Dieser Gedanke sei ihm bei der Lektüre des Bekennerschreibens zum Angriff auf eine Hamburger Polizeiwache gekommen, in der die Täter ihren Angriff mit dem griechischen Namen »Koukoulofori«, was so viel wie »die Kapuzenträger« bedeute, unterschrieben hätten.

Bei so viel geballter Verbalradikalität durften die natürlichen Scharfmacher im Innenausschuss nicht hinten anstehen. »Die Farbe, von der Gewalt ausgeht, ist völlig egal«, sagte der CDU-Abgeordnete Andreas Gram. Für ihn stehe jedoch fest, dass es demnächst Tote geben werde, wenn der nächste Brandsatz geschleudert werde. Die Entwicklung in dieser Sache liege auf der Hand: Erst haben ein »paar« Autos gebrannt, dann flächendeckend, jetzt würden die Behörden direkt angegriffen.

Diese Aktionen haben auch mir massiv zu Denken gegeben, sagte die innenpolitische Sprecherin der LINKEN, Marion Seelig. Insbesondere der Angriff auf eine Hamburger Wache sei »in seiner Perfidie kaum zu überbieten«.

Der Ruf der Grünen, mit aller Kraft zu differenzieren, verhallte zumindest gestern im Innenausschuss ungehört.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -