Stasi-Beauftragte Ulrike Poppe

Ministerpräsident will Bürgerrechtlerin für das Amt vorschlagen / Linksfraktion ist einverstanden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Ulrike Poppe
Ulrike Poppe

Pressekonferenz am Dienstag im Landtag auf dem Potsdamer Brauhausberg: SPD- und Linksfraktion stellen gemeinsam ihre Anträge für die Parlamentssitzung in der kommenden Woche vor. Die Frau von der evangelischen Nachrichtenagentur epd interessiert sich für die Initiative zur gewollten Lockerung der Residenzpflicht in Brandenburg. Asylbewerber sollen problemlos ihren Landkreis verlassen und auch nach Berlin fahren dürfen. Auch beim Thema friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide hört die Journalistin genau zu. Doch es fällt ihr schwer, sich darauf zu konzentrieren.

Es stören die Kollegen, die nur auf das Reizwort »Stasi« warten, um erst dann ihre Stifte zu zücken. Als der Reporter der »Lausitzer Rundschau« im Zusammenhang mit der Entsorgung von Munition in der Heide das Stichwort »Altlastenbeseitigung« aufschnappt, blödelt er. Altlastenbeseitigung, ja das sei gut, witzelt er mit Blick auf die Stasi-Fälle in der Fraktion der Linkspartei.

In den Schreibtischen vieler Journalisten liegen offensichtlich Kopien der Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Die Politiker jedoch halten nichts in ihren Händen. Von dieser Situation hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Christian Görke, die Nase voll. Der Landtag soll eine Kommission einrichten, die Unterlagen sichtet und bewertet, mit den betroffenen Abgeordneten spricht und anschließend ihre Feststellungen in einer Drucksache veröffentlicht. Anschließen könnte sich an eine solche Überprüfung der Landtagsabgeordneten auf Stasi-Tätigkeit eine politische Diskussion, findet SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Klara Geywitz. Rechtliche Schritte wären nicht möglich. Ausgeschlossen wäre zum Beispiel, dass Abgeordneten ihr Mandat per Landtagsbeschluss entzogen wird, auch wenn das ihren Kollegen Görke vielleicht freuen würde, sagt Geywitz. Damit spielt sie auf den Fall des Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann an. Der trat bekanntlich aus der Linksfraktion aus, will sein Mandat jedoch behalten.

Die vier Mitglieder der Kommission sollen weder dem Landtag noch dem Kabinett angehören. Vorstellbar wären beispielsweise Wissenschaftler, die sich mit dem Thema auskennen, erklärt Görke. SPD, LINKE und Grüne haben eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beantragt. Die Initiative zielt auf die Einsetzung der genannten Kommission. Wann die Kommission zu arbeiten beginnt, vermag Klara Geywitz nicht einzuschätzen. Zügig soll es gehen. Aber Geywitz weiß, dass die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr eine Stasi-Überprüfung der Kommunalpolitiker beschloss und noch immer nicht alle Papiere aus der Stasi-Unterlagenbehörde vorliegen. So etwas dauert also. Ohne Akten kann die Kommission nichts tun.

Indessen könnte es noch im Dezember, spätestens jedoch im Januar die erste Stasi-Beauftragte des Landes Brandenburg geben. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) möchte die Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe vorschlagen. Sie gehörte zu den führenden Köpfen der Initiative Frieden und Menschenrechte und wirkt seit 1991 als Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg. Ulrike Poppe soll bereit sein, Stasi-Landesbeauftragte zu werden. Die Linksfraktion sei »konsultativ« in die Findung eines Personalvorschlags einbezogen gewesen, erläutert Fraktionsgeschäftsführer Görke. Auf die Frage, wie die Abgeordneten der Linkspartei die Personalie Ulrike Poppe aufnahmen, antwortet er knapp: »Positiv.«

Mit der zweiten Personalie befasste sich allein die Linksfraktion. Sie nominiert aus ihren Reihen Gerrit Große als neue Vizepräsidentin des Landtags (Personalien Seite 8). Wegen Stasi-Vorwürfen hatte Gerlinde Stobrawa das Amt niedergelegt. Gerrit Große sei in der Lage, »sachlich fair« zu moderieren, lobt Christian Görke. Sie sei intellektuell in der Lage, »das Amt auszufüllen«. Er gehe davon aus, dass dieser Personalvorschlag von einer großen Mehrheit getragen wird. Die Wahl könnte in der kommenden Woche erfolgen, meint Görke. Persönlich sei er der Meinung, dass Große neben ihrer Arbeit als Vizepräsidentin weiterhin bildungspolitische Sprecherin der Fraktion bleiben könne. Auch Stobrawa hatte zusätzlich eine Sprecherfunktion, kümmerte sich um die Europapolitik.

Die CDU lehnt Große ab. »Ich bin mir sicher, dass unsere Fraktion nie wieder einen linken Politiker, bei dem die Biografie unklar ist, einfach wählt. Davon haben wir die Nase voll«, sagt die CDU-Fraktionsvorsitzende Johanna Wanka. Sie verlangt, die Position mit einem Abgeordneten der Opposition zu besetzen. »Wir sind der Meinung, dass uns ein Vizepräsidentenposten zusteht.«

Übrigens beantragen Sozialdemokraten und Sozialisten auch, die Privatisierung ehemals volkseigener Seen in Brandenburg zu stoppen. Der Landtag soll den Bund und die zuständige bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft auffordern, die bisherige Praxis zu verändern und die Voraussetzungen für eine kostenlose Übertragung der Gewässer an die ostdeutschen Länder und Kommunen zu schaffen. »Sagen Sie ruhig, wenn wir Sie langweilen«, forderte Görke die Journalisten auf. Das Reizwort »Stasi« fehlte.

Ulrike Poppe wurde am 26. Januar 1953 als Tochter eines Historikers und einer Dolmetscherin in Rostock geboren. Sie wuchs im nördlich von Berlin gelegenen Hohen Neuendorf auf, machte 1971 an einer Schule in Oranienburg Abitur und studierte an der Ostberliner Humboldt-Universität Kunsterziehung und Geschichte. Sie brach das Studium allerdings 1973 ab, arbeitete hernach in einem Kinderheim, im Krankenhaus und schließlich als Assistentin am Museum für Deutsche Geschichte. 1985 gehörte sie zu den Gründern der Initiative Frieden und Menschenrechte, 1989 zu den Gründern der Bürgerbewegung »Demokratie jetzt«. Sie saß am Zentralen Runden Tisch.

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