Mit voller Wucht

TU zeigt Schau zur »Schule der Neuen Prächtigkeit«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Vergabe der Begeisterung per Handschlag« (1978) von Johannes Grützke
»Vergabe der Begeisterung per Handschlag« (1978) von Johannes Grützke

Welche gedanklichen oder künstlerischen Anleihen man auch auszumachen glaubt, ihr Werk ist einzigartig. Auf zwei Ebenen im edlen Lichthof der Technischen Universität ist mit über 60 teils großformatigen Bildern zu sehen, was jenes Malerquartett so unverwechselbar macht, das sich 1973 unter dem Namen »Schule der Neuen Prächtigkeit« formierte. Da war jeder für sich schon eine feste Größe im Malerolymp der Bundesrepublik, und wohl nur deshalb konnten sie es wagen, wider den Strom zu schwimmen. Der hieß damals abstrakte Kunst und schloss die wenigen aus, die trotzig gegenständlich malten, und mit welcher Wucht!

Dass ihr malerisches Handwerk über alle Zweifel erhaben war, machte sie unangreifbar und verschaffte ihnen, möglicherweise widerwillig, Akzeptanz. In etwa gehören sie derselben Generation an. Johannes Grützke, bekanntester der »Neuen Prächtigen«, und Matthias Koeppel wurden 1937, Karlheinz Ziegler, verstorben 2008, 1935 geboren, Ältester ist Manfred Bluth: 1926-2002. Wo Koeppel mehr als zwei Dekaden am Fachbereich Architektur als Professor für Bildende Kunst lehrte, in der TU, feiert er mit den anderen »Prächtigen« nun fröhliches Wiedersehen in der Kunst.

Denn bieder geht es auf den Bildern aus rund 50 Schaffensjahren wahrlich nicht zu, eher politisch angriffslustig. Auf Grützkes »Im Mist – Eva und Maria« von 1982 knien die Frauen als Berge leuchtenden Fleisches überlebensgroß direkt vorm Betrachter, rechts taucht ein Affe auf. Koeppels »Am Potsdamer Platz« von 1995 zeigt auf einer Brache unterm Abendrot Saufbrüder, eine besprühtes Stück Mauer, viel Müll und im Schutz eines rostigen Lasters ein Paar beim Sex – gemalt all dies geradezu delikat, was den spöttischen Ton noch verstärkt.

Auf Zieglers »Anarchie« von 1974-78, Realität oder Vision, schützt ein Sitzender mit Kalaschnikow vom roten Auto herunter eine Planbesprechung behelmter Herren und einer Frau. Koeppels »Wagenpflege« von 1978 porträtiert vier Männer, die vor dem Funkturm schattenlos und fast erdrückt vom Abendhimmel ihr Auto wienern, matt, fein, grotesk, voll neuer Sachlichkeit. Gewaltig ragen die Fettärsche zweier widerlicher Typen mit MP vor roter Pyramide ins Bild: »Hernan Cortez’ Eroberung von Mexiko« nennt Grützke diese seine harsche Kritik von 1968. Und Zieglers »Streik in Mariendorf« von 1971 hält eine aussichtslose Situation fest: Mittig ist das grüne Werktor fest verschlossen, rechts hinten warten die Arbeiter, von links zieht ein Pulk disputierender Zylinderträger auf; spielende Kinder leihen als Bindeglied der würdigen Szene Lächerlichkeit.

Auf einsamer Fläche, weit entfernt von seinen applaudierenden Politikerkollegen, lässt Koeppel tief ironisch einen feisten Bundeskanzler 1997 den »Ersten Spatenstich« vollführen. Seiner »Grundsteinlegung Potsdamer Platz« von 1995, feierliche Massen in der Baugrube versammelnd, gibt ein knorriger Baum trauriges Kolorit. Und Grützkes Werke bersten fast vor Elementarkraft – ob »Der kleine Sebastian« von 1981 als verzerrter Knabe mit Riesengemächt und Pfeil in der Hand, der »Gefesselte Simson«, dem alle Auflehnung ins Genital fährt, oder seine Darstellungen verkeilter Nackter.

Bluth setzt witzig Grützke deklamierend in eine »Schottische Landschaft« 1976, malt sich schlierig orange im Atelier 1999, beeindruckt durch ein lang gestrecktes Genrebild: »Das alte Kriegsschiff« von 1977-80 liegt friedvoll vertaut unter einem Himmel von fast holländischer Manier.

Bis 13.12., tägl. 10-20 Uhr, Technische Universität, Straße des 17. Juni 135, Charlottenburg

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