Ein Dach für die Zuwanderer

Die brandenburgische Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte öffnet sich für die Vereine der Migranten

  • Andreas Fritsche, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

In Brandenburg startet ein bundesweit einmaliges Modellprojekt zur Unterstützung von Zuwanderern. In dem dreijährigen Pilotprojekt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollen die derzeit sieben kommunalen Ausländerbeiräte und rund 60 weitere Migrantenorganisationen zu einem Dachverband mit gemeinsamer Interessenvertretung zusammengefasst werden.

In Hennigsdorf und Fürstenwalde gibt es einen Ausländerbeirat, auch in Potsdam, Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder), außerdem in den Landkreisen Barnim und Potsdam-Mittelmark. Mehr sind es nicht in Brandenburg, weitere werden bestimmt nicht dazu- kommen, glaubt Maria Pichottka. Sie ist noch Vorsitzende der brandenburgischen Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte. Angesichts von nur sechs Prozent Zuwanderern im Bundesland gegenüber 19 Prozent im Bundesdurchschnitt fehle es an der notwendigen »Substanz«, sagt Maria Pichottka.

Allerdings engagieren sich rund 60 Migrantenvereine, vietnamesische, russische und polnische zum Beispiel. Für diese Vereine möchte sich die Arbeitsgemeinschaft öffnen, um eine große Dachorganisation zu bilden. Am heutigen Sonnabend soll im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte der Vorstand der Dachorganisation gewählt werden und dann bis zum Frühjahr kommenden Jahres einen Namen für das Kind finden.

Maria Pichottka spricht von einem »historischen Schritt«. Ein solcher Dachverband existiert noch nirgendwo in der Bundesrepublik. Die Idee ist zwei Jahre alt. Für die kommenden drei Jahre fördert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Modellvorhaben mit insgesamt 150 000 Euro. Mit dem Geld wird unter anderem eine halbe Stelle finanziert. Pichottka hofft, dass möglichst viele Vereine mitmachen. Einige signalisierten vorsichtig, gleich zu Beginn einzusteigen. Andere stoßen dann später dazu, vermutet die Vorsitzende, die allerdings nicht wieder für den Vorstand kandidieren möchte. Dafür bewirbt sich Pichottkas bisheriger Stellvertreter Alexandr Lapyrov. Er zog 1994 aus der Ukraine nach Eberswalde, wegen der Liebe, wie er erzählt. Der heute 37-Jährige ist dort geblieben und er sieht das als Beweis, dass man als Ausländer sehr wohl nach Brandenburg kommen könne.

Leider tun dies bislang vergleichsweise wenige Zuwanderer. Doch gerade weil es hier wenige von ihnen gebe, müsse man sich besonders um ihre Integration kümmern, sagt Lapyrov. Er erzählt ein Beispiel. Wer in Frankfurt (Oder) eine Bewerbung schicke, in der ein fremd klingender Name stehe, habe weniger Chancen, den Job zu bekommen. In Frankfurt am Main, wo es mehr Ausländer gebe, sei das kein Problem.

Die Schwierigkeiten bestehen nach Ansicht Lapyrovs jedoch auch darin, dass es insgesamt zu wenig Arbeitsplätze gibt. Darum, so erzählt er, ziehen Zuwanderer von Brandenburg weiter in die alten Bundesländer.

Zu wenig habe die alte SPD/CDU-Landesregierung von Brandenburg für die Integration getan, erklärt Lapyrov. Von der neuen rot-roten Regierung – im Koalitionsvertrag steht mehr zum Thema als früher – erwartet er Verbesserungen. Die Ausländer wollen soziale, politische und kulturelle Teilhabe, sagt der 37-Jährige. Mit konkreten Forderungen hält er sich zurück. Die zu formulieren sei Aufgabe des neuen Vorstands.

Brandenburg sei durchaus ein guter Boden für Ausländer, findet Pichottka. Die Zahl von sieben Ausländerbeiräten sei genau genommen gar nicht so schlecht, obwohl Hessen 100 Ausländerbeiräte habe. In Mecklenburg-Vorpommern jedoch gebe es lediglich einen einzigen, in Thüringen nur drei.

  • In Brandenburg lebten im Jahr 2006 knapp 47 500 Ausländer, darunter 6500 Polen, 4700 Vietnamesen, 4300 Russen, 4100 Ukrainer, 2300 Türken und 1200 Chinesen.
  • Ausländerbeiräte sind von den Kommunen berufene oder von den Ausländern gewählte Gremien, die die Interessen der Zuwanderer vertreten.
  • Von den Vietnamesen in Brandenburg sind etwa 2500 ehemalige Vertragsarbeiter aus der DDR.
  • Ein Viertel der Ausländer in Brandenburg ist jünger als 25.
  • Von den seit 1991 aufgenommenen 55 000 Spätaussiedlern sind zirka 20 000 im Bundesland geblieben.
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