»Ein Flughafen an jeder Mülltonne«

Viele kleine Regional-Airports sind defizitär. Ihre Existenz verdanken sie dem Prestigedenken von Kommunalpolitikern

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.
Etliche Regionalflughäfen in Deutschland sind ein Zuschussgeschäft für Länder und Kommunen. Daran wird sich auch nichts ändern, denn vielerorts fehlt einfach der Bedarf.

Es war ein Hilfeschrei, als der Landrat des Landkreises Altenburger Land, Sieghardt Rydzewski, dieser Tage die Privatisierung des Flughafens Leipzig-Altenburg ankündigte und Investoren in aller Welt zum Engagement aufrief: »Ich denke, dass ein Airport Made in Germany, der eine mittelfristig gute Geldanlage sein wird, international auf Interesse stoßen wird.«

Zuvor hatte der Kreistag beschlossen, dem irischen Billigflieger Ryanair für die Einrichtung einer zusätzlichen Flugverbindung 670 000 Euro Marketingzuschüsse zu gewähren. »Ohne diese Beschlussfassung wäre der Linienflugbetrieb faktisch am Ende gewesen und der Flugplatz hätte seine Bedeutung zwangsläufig verloren«, rechtfertigte der Landrat und Aufsichtsratsvorsitzende der Betreibergesellschaft Flugplatz Altenburg-Nobitz GmbH die Finanzspritze. Zu den bisherigen Verbindungen von und nach Stansted (London), Edinburgh (Schottland) und Girona (Barcelona) soll ab März 2010 zweimal in der Woche eine Verbindung nach Alicante hinzu kommen. Leipzig-Altenburg ist einer von zehn deutschen Stützpunkten der Ryanair.

Traum vom Touristenstrom

Rydzewski kritisierte die Thüringer Landesregierung, weil sie für die bisherigen Investitionsplanungen einen Baustopp verhängt habe und die Auszahlung bereits zugesagter Fördermittel verweigere. Hauptanteilseigner der Flugplatz Altenburg-Nobitz GmbH sind bislang zu 60 Prozent der Landkreis Altenburger Land und zu 19 Prozent die Altenburger Stadtwerke.

Das Altenburger Land liegt am östlichsten Zipfel Thüringens und hatte nach dem Abzug der russischen Truppen 1993 den Militärflugplatz Nobitz »geerbt«. Mit der Konversion verbanden sich große Hoffnungen auf eine Wirtschaftsbelebung und zahlungskräftige Touristenströme. Am Airport stehen rund 100 Menschen in Lohn und Brot. Die Erwartung, dass die Lufthansa hier ihren Piloten-Nachwuchs ausbildet, ging nicht auf. Den Zuschlag dafür bekam Rostock/Laage.

Machtspiele von Ryanair

Altenburg-Nobitz ist nur einer von etlichen deutschen Regionalflughäfen, die – jeder für sich – die Hoffnung auf eine goldene Zukunft verkörpern. Rund 250 Kilometer Luftlinie westlich, im nordhessischen Landkreis Kassel, verknüpfen Kommunalpolitiker mit den ehrgeizigen Bauplänen für den bisherigen Luftlandeplatz Calden ähnliche Erwartungen. Wo bisher kleine Privatmaschinen für regionale Eliten beheimatet waren, sollen nach 2012 Linienjets starten und landen.

»Ein Flughafen an jeder Mülltonne ist nicht nur ökologischer, sondern vor allem auch ökonomischer Unfug«, kritisiert der Kasseler Stadtverordnete Kai Boeddinghaus (Kasseler Linke.ASG) die Pläne für Calden und sieht auf die Öffentliche Hand als Betreiber »auf ewig festgeschriebene exorbitante Verluste« zukommen. Kassel mit seinem ICE-Bahnhof brauche keine innerdeutschen Fluglinien. Im Umkreis von 200 Kilometern seien Verkehrsflughäfen in Dortmund, Erfurt, Frankfurt, Paderborn/Lippstadt, Hannover und Münster/Osnabrück in Betrieb. Schon heute könnten Fluggäste für den Abflug vom 90 Kilometer entfernten Airport Paderborn/Lippstadt im Kasseler Hauptbahnhof ihr Gepäck aufgeben und einchecken. Calden werde ebenso ein Zuschussbetrieb bleiben wie Weeze am Niederrhein, Friedrichshafen am Bodensee, Dortmund oder Memmingen im Allgäu, prophezeit Boeddinghaus. Ryanair sei sich seiner Macht bewusst und spiele die Kommunen skrupellos gegeneinander aus. Auch beim Vorzeige-Flughafen Hahn in Rheinland-Pfalz habe der irische Billigflieger im vergangenen Jahr die Mainzer SPD-Landesregierung erfolgreich erpresst. Diese hatte zur Deckung laufender Defizite die Einführung einer Terminalgebühr für die Fluggäste von drei Euro geplant und auf Druck aus Dublin das Vorhaben fallen gelassen.

Altenburg contra Erfurt

Dass die tonangebenden nordhessischen Kommunalpolitiker auf ihren »eigenen« Flughafen aus sind und Fluggäste nicht vom thüringischen Erfurt, niedersächsischen Hannover oder westfälischen Paderborn aus abfliegen lassen wollen, hat auch mit der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland zu tun. Landesgrenzen fördern Kirchturmshorizonte und Prestigedenken.

Im Altenburger Land argwöhnen die Verantwortlichen, dass die Entscheidungsträger in Erfurt lieber den defizitären Hauptstadt-Airport fördern. Dabei liege Altenburg im Gegensatz zu Erfurt zentral in einem dicht besiedelten Gebiet mit Städten wie Leipzig, Halle, Dresden, Zwickau und Chemnitz und dem touristisch interessanten Erzgebirge »vor der Haustür«, argumentiert man in Ostthüringen. Viele einfliegende Touristen aus Großbritannien reisten direkt in diese nahen Ziele weiter und gäben dort ihr Geld aus. Sachsen sei somit Haupt-Nutznießer, ohne gleichzeitig für die Betreiberdefizite der Altenburg-Nobitz GmbH aufzukommen.

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