Die Brennende

Séraphine von Martin Provost

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: ca. 4.5 Min.

Senlis im Norden Frankreichs. Die Stadt liegt am Fluss Nonette. Das Wasser, nicht zu tief, nicht zu reißend und schon so warm, dass eine Hand und die nackten Füße lange in ihm verweilen können. Dämmerlicht sendet der Mond hinter den Bäumen und allmählich erkennt man: Es war eine ältere Frau, die das Fließen genoss, das Streicheln der Wasserpflanzen, als suchte sie eins zu sein mit der Natur. Oder hatte sie ein Gefäß heimlich ausgespült? Schwere, derbe Gestalt, ärmlich gekleidet und den Fingern, von harter Arbeit geschunden, gelingt es dann kaum, sich im Gebet zu verschränken. Die Frau – ihr eilender Gang fest, stampfend beinahe, weitausgreifende Schritte in den beschlagenen Schuhen – war vom Fluss eben noch rechtzeitig in der Kirche angekommen. Jetzt singt sie inbrünstig, hingebungsvoller als die anderen der Gemeinde.

Es ist das Jahr 1912. Die Frau verdient sich da und dort als Wäscherin und Putzfrau ein paar Sous, um die Mü...


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