Vorhersehbarer Ausnahmezustand

Feuerwehr, Polizei und Rettungsstellen sind auf die arbeitsintensivste Nacht des Jahres eingestellt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Auf geht's!« Langsam führt der Feuerwehrmann mit der grellen Aufschrift »Pyrotechniker« sein bengalisches Räucherstäbchen an die Zündschnur der Rakete, die anschließend zischend in den trüben Weddinger Himmel steigt. So vorschriftsmäßig wie bei der gestrigen Präsentation der Berliner Feuerwehr wird es in der Silvesternacht leider nicht immer zugehen.
Die Pyrotechniker haben eine Ausnahmegenehmigung.
Die Pyrotechniker haben eine Ausnahmegenehmigung.

Zwar hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Leicht- und Mittelverletzten verringert, doch die Zahl der Schwerverletzten sei unverändert hoch, erläutert der Sprecher der Rettungsstellenchefärzte des privaten Klinikkonzerns Vivantes, Peter-Michael Albers, in seiner Bilanz für den vergangenen Jahreswechsel. Besonders häufig waren Verbrennungen und Knalltraumata – ein Prozent erlitt gar eine Verletzung, bei der ein Körperteil abgerissen wurde. Viele der Unfälle sind oftmals fremdverschuldet. »Die meisten Verletzten sind unter 30, männlich und – entgegen Klischeevorstellungen – Deutsche«, sagt Albers. Neben der Böllerei bereiten den Rettungsärzten auch zunehmend Verletzungen Arbeit, die im Zusammenhang mit exzessiven Alkoholkonsum stehen und dessen aggressiven Folgen.

Bei der Berliner Feuerwehr ist man ebenfalls auf den »vorhersehbaren Ausnahmezustand« eingestellt, wie der Landesbranddirektor Wilfried Gräfling die Silvesternacht nennt. Wie in den vergangenen Jahren reagiert die Feuerwehr indes nicht nur, sondern hat auch erneut gemeinsam mit Partnern die Kampagne »Verknallt an Silvester« gefahren, mit der präventiv unter Jugendlichen für einen sicheren Umgang mit Feuerwerk geworben wird. In Kreuzberg und Neukölln gab es überdies Präventionsveranstaltungen an Schulen, aber auch in Apotheken, Arztpraxen und Jugendeinrichtungen wurden in diesen Stadtteilen Informationsflyer ausgelegt.

Darüber, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen die arbeitsintensivste Nacht des Jahres bevorsteht, macht sich Feuerwehrchef Gräfling keine Illusionen. Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet und habe rund 1500 Einsatzkräfte mit 350 Fahrzeugen aus Berufs- und Freiwilligenfeuerwehren in Bereitschaft. Besondere Vorsorge wird unterdessen für die große Party am Brandenburger Tor, zu der erneut 750 000 Teilnehmer erwartet werden, getroffen. Dort gibt es extra zwei temporäre Wachen, sagt Gräfling.

Böller und Raketen sind auf dem Fest-Areal im Zentrum der Hauptstadt allerdings nicht erlaubt und werden bei Einlasskontrollen konfisziert. Die Kontrollmaßnahmen der Berliner Polizei haben unterdessen bereits gestern begonnen. »Wir haben allein am Dienstag 248 Feuerwerksläden überprüft, von denen 41 beanstandet wurden«, sagt Sylvia Döbrich vom Einsatzstab des Polizeipräsidenten. Die Ordnungshüter warnen insbesondere davor, sogenannte Polenböller, Vogelschreckmunition und anderes illegale Feuerwerk zu benutzen. »Einige Tonnen solcher Ware wurden bereits beschlagnahmt«, sagt Döbrich. Die Polizei beobachtet in dem Bereich in diesem Jahr einen verstärkten Handel. Bei den monierten Geschäften, die mit Feuerwerk handeln, wurde allerdings in der Hauptsache die falsche Lagerung bemängelt. In jedem Fall rät die Polizei, keine Knallkörper und Raketen zu benutzen, die nicht von der Bundesprüfstelle für Materialforschung (BAM) geprüft wurden.

Genauso wichtig sei aber auch, ergänzt Feuerwehrchef Gräfling, sich vor dem Abbrennen Gedanken zu machen und nicht erst in »Sektlaune« die Bedienungsanleitung zu lesen – dann klappt's auch reibungslos wie bei den Pyrotechnikern der Feuerwehr.

Tipps der Feuerwehr

  • Alle brennbaren Gegenstände von Balkonen räumen
  • In der Silvesternacht Fenster und Balkontüren schließen
  • Nur zugelassenes Feuerwerk der Bundesprüfstelle (BAM) kaufen
  • Gebrauchsanweisungen vorher in Ruhe lesen
  • Beim »Knallen« nie den gesamten Vorrat in einem Behältnis aufbewahren
  • Feuerwerk der Klasse II nur von Erwachsenen und im Freien zünden
  • Raketen nur aus Flaschen mit sicherem Stand von der Straße aus starten
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