Der Kapitalist als Boxer
Die »Geheimnisvolle Tierwelt im Jugendstil« präsentiert das Bröhan-Museum
Blumen, Blüten, sich schlängelnde Stengel assoziiert man mit dem Jugendstil, der ein neu erwachtes Verhältnis zur Natur feiert. Dass und in welchem Maß Tierdarstellungen die Künstler jener Stilrichtung anregten, ist schon weniger bekannt. Diese Wissenslücke schließt eine Ausstellung im Bröhan-Museum. »Von Pfauen, Libellen und Fledermäusen« beleuchtet detailliert die »Geheimnisvolle Tierwelt im Jugendstil« und kann dabei auf gut 300 Exponate aus eigenen Beständen verweisen.
Höchst vielfältig illustrieren sie das ambivalente Verhältnis zum Tier, wie es Impulse aus dem Japonismus empfing. Dort sind bei Künstlern wie Hokusai in Skizzenbüchern Tiere Teil einer Gesamterfahrung der umgebenden Welt. Freilich trugen auch profanere Gründe zum bildnerischen Interesse am Tier bei, so die Einrichtung von Zoos, die eine direkte Beobachtung selbst exotischer Spezies ermöglichten.
Und dann ist da noch jene rätselvolle Verbindung zwischen speziellen Tieren und dem Mysterium Frau. All dem will die Ausstellung in 22 Kapiteln auf die Spur kommen.
Tiefrotes Spinnennetzdekor umspannt eine Vase aus opalweißem Glas, und auch das plastisch aufliegende Spinnengeweb auf einer weiteren Vase hat so gar nichts Ekelhaftes an sich. Blattkäfer umringen eine Fayence-Vase, Porzellan fixiert den Kampf zweier Hirschkäfer, auf dem Henkel einer Zinn-Sauciere hat eine Zikade Platz genommen. Zu den prachtvollen Exponaten gehört ein Fledermausleuchter ebenfalls aus Zinn, wie ihn ein Holzschnitt Hokusais inspiriert haben könnte: Im ostasiatischen Kulturraum gilt die Fledermaus als Glückssymbol. Ein Tapetenentwurf aus Paris kombiniert das Flugwesen mit Schmetterling, Glockenblume und Mohn zum dekorativen Ornament. Höher im Sympathiekanon Europas rangieren Pfau und Schmetterling, beide hier in Form gestalteter Schalen vertreten.
Ein Rosenwassergefäß greift das Motiv des Schwanenhalses auf, Schwäne gleiten auf einer Schale zu Füßen eines weiblichen Akts, bedienen auch eine erotische Komponente. In die gleiche Richtung mag ein Handspiegel mit stilisiertem Paradiesvogel aus Zinn zielen.
Andere Exponate holen sich die Natur ins Haus, so eine Hirtin, die an zwei Ziegen aus Meißner Porzellan zerrt, oder ein Tafelaufsatz mit modellierten Hähnen. Ein Weinkühler lässt den Fuchs wie in der Fabel nach Trauben haschen, seinem schleckenden Hund schaut beflissen ein Junge zu, und das in Porzellan aus Meißen. Wie souverän auch in anderen Manufakturen Tierverhalten dargestellt wurde, zeigen schleichende Katzen aus Kopenhagen. Porzellandesigner sind ebenso fasziniert von Kakadu und Elefant, Marabu und Nilpferd. Ein Äffchen neckt die Herrin, hungrig brüllt ein Eisbär.
Selbst Kleintieren wie Maus, Frosch und Schnecke gilt bildnerisches Bemühen: auf Vasen oder einem porzellanenen Teichrosenblatt. Mohn und Schlange schmücken auf Leder mit eingepresstem Dekor einen prächtigen Wandschirm, und den Flugtieren gesellen sich auch Arbeiten mit Wasserwesen bei – ob Krebs, Hummer, Krabbe oder Sagengestalten wie Nixen, etwa als Henkel einer Vase.
Dass reliefierte Fische ein Fischbesteck zieren, liegt nah, doch Tiere können auch Attribute sein, so eine von Mädchenhand gestemmte Muschel als Schmuckschale. Tiere in Menschengestalt wie die satirisch gemeinte »Berühmtheit« der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin oder »Ente und Boxer« für Kleinbürgerin und Kapitalist setzen groteske Akzente.
Bis 14.2., Di.-So. 10-18 Uhr, Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Charlottenburg, Telefon 32 69 06 00, www.broehan-museum.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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