Drogen-Heckmanns weiter Weg
Magdeburger Wissenschaftler vom Internationalen Rat gegen Suchterkrankungen geehrt
Magdeburg. West-Berlin im Jahr 1967: Der 21-jährige Wolfgang Heckmann ist im Zentrum der Studentenbewegung angekommen. Als Hippie treibt er den »Aufbruch gegen die soziale Kälte« mit voran. Aus der sozialen Verantwortung entwickelt sich ein Engagement, das nach anfänglich ehrenamtlicher Tätigkeit zur Berufung wird. Der studierte Psychologe, der auch »Drogen-Heckmann« genannt wird, wird der erste Drogenbeauftragte West-Berlins.
Als Forscher beschäftigt sich Heckmann mit Aids und Suchtkrankheiten und schafft es bis in die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auf dem Höhepunkt seines Schaffens bei der WHO kommt ein Ruf aus Magdeburg, den er 1993 annimmt. »Das Leben in einer Behörde ist schrecklich. Auf Dauer wäre ich da nicht glücklich geworden«, erinnert sich Heckmann an seine WHO-Zeit in Kopenhagen. Der 63-Jährige entschied sich schließlich, am Aufbau des Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) mitzuwirken.
Hungrig nach Psychologie
Heckmann ist heute überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: »Mein Herz schlug immer für Lehre und Forschung.« Für den Professor fühlte sich der Neuanfang in Magdeburg wie die Rückkehr nach Hause an. Der Sohn eines Försters ist 55 Kilometer nördlich der Stadt geboren.
Nach der Wiedervereinigung sah es Heckmann als große Chance an, Psychologie als Wissenschaft in Ostdeutschland neu zu etablieren. »Die Menschen waren hier hungrig nach Psychologie und sind es auch heute noch», erzählt er. »In Berlin kommt keiner auf die Idee, in der Hochschule anzurufen und um Hilfe zu bitten.« Der Lehrer und Forscher hat seinen Lebensmittelpunkt 1993 nach Magdeburg verlegt. Die Stadt beschreibt er als eine »spröde Geliebte«. Man müsse sie gut kennen, dann bereite sie einem Freude, sagt Heckmann. Mit dem schnellen Umzug verfolgte der Dozent vor allem ein Ziel: »Ich wollte ein Campus-Mann sein, damit ich für Studenten immer ansprechbereit bin.«
Zehn Jahre später wurde Heckmann zum Besitzer des Magdeburger Oli- Kinos. »Ich hatte schon angefangen, für meinen 60. Geburtstag Geld zu sparen, um mir einen Jaguar zu kaufen. Doch daraus wurde bis heute nichts«, sagt Heckmann leicht wehmütig. Das Gesparte floss in das bis dahin kaum genutzte Lichtspielhaus im Stadtteil Stadtfeld. Das Kino werde mittlerweile gut angenommen, doch wirtschaftlicher Erfolg sei noch nicht in Aussicht. Das sei eher eine Herausforderung für die Zeit nach dem Lehren, sagt Heckmann. Seine größte Leidenschaft gehört bisher dem Schreiben. Neben 450 erschienenen wissenschaftlichen Werken, veröffentlichte der Hobbyautor mehrere Kriminalromane. Der Dozent leitet auch drei Institute für Forschung und Projektentwicklung in Berlin, Stendal und Magdeburg, in denen auch Studenten mitarbeiten. Aktuell beschäftigt sich Heckmann mit einem Projekt im Kampf gegen Trunkenheit im Straßenverkehr. Dabei werden ausgebildete Studenten regelmäßig in Fahrschulen geschickt, um mit den Fahrschülern über die Gefahren von Alkohol am Steuer zu sprechen.
Sieben Bundesländer
Was erfolgreich in vier sachsen-anhaltischen Landkreisen begann, ist mittlerweile auf sieben Bundesländer ausgeweitet worden. Kürzlich wurde der Sozialpsychologe vom Internationalen Rat gegen Alkohol- und Abhängigkeitserkrankungen für sein Lebenswerk geehrt. Für Heckmann das Schlimmste, was passieren konnte: »Gerade, wenn man noch viel vorhat, finde ich solch einen Preis schrecklich.«
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