Zu spät reagiert

BGH zweifelt an Polizeiversion

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Rechtsanwältin REGINA GÖTZ vertritt Oury Jallohs Mutter als Nebenklägerin. Über das Karlsruher Urteil sprach mit ihr NIELS SEIBERT.

ND: Wie bewerten Sie das Urteil des Bundesgerichtshofs?
Götz: Der Senat hat ganz klar festgestellt, dass der angeklagte Polizeibeamte zu spät reagiert hat. Wenn jemand gefesselt in der Zelle liegt, müsse man nach einem Brandalarm sofort losgehen und könne nicht erst noch ein Telefonat führen und andere Dinge tun. Das heißt meiner Meinung nach, dass sich der Beamte strafbar gemacht hat.

Die Karlsruher Richter meinten, das Dessauer Urteil habe zahlreiche Lücken. Welche sind das?
Der Brandverlauf sei zum Beispiel nicht ausreichend festgestellt. Die Richter haben gesagt, sie können sich gar nicht vorstellen, dass jemand in der Nähe seiner Hand ein Feuer anzündet und dann keine Schmerzensschreie von sich gibt, wie es das Landgericht Dessau festgestellt hatte. Der Senat hat in diesem Zusammenhang sogar von der Möglichkeit eines Einwirkens Dritter gesprochen.

Ging der BGH auf die umstrittenen Polizeiaussagen im Dessauer Prozess ein?
Ja. Die Aussage der Hauptbelastungszeugin muss neu bewertet werden. Die Polizeibeamtin hatte am Anfang stark belastende Aussagen gemacht und diese mehr und mehr zurückgenommen. Vor dem Hintergrund dieser Aussageentwicklung sprach das Gericht auch von Auswirkungen äußerer Einflüsse wie zum Beispiel Korpsgeist. Das ist schon phänomenal.

Wie waren die Reaktionen?
Die deutlichen Worte der Vorsitzenden Richerin wurden vom Publikum sehr erfreut aufgenommen. Die Mutter des Getöteten wird sehr froh sein, denn sie wollte das Revisionsverfahren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.