Gefrorene Schnitzereien

Chinesische Eis-Künstler zeigen filigrane Skulpturen und beeindruckende Bauwerke

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Weltmeister bei der Arbeit
Der Weltmeister bei der Arbeit

Kaltes aus Fernost: Chinesische Eiskünstler zeigen jetzt in einer Halle neben der O2 World ihre vergänglichen Skulpturen. Erstmals gastiert diese Ausstellung in Deutschland. Die Besucher können auch live die Entstehung von filigranen Figuren und beeindruckenden Bauwerken verfolgen.

Egal, wie das Wetter auch wird: In der schneeweißen Thermo-Halle an der Wanda-Kallenbach-Straße in Friedrichshain ist es kalt. Konstant minus drei Grad herrschen in dem 1200 Quadratmeter großen Raum. Mehrere Aggregate und Luftkühler sorgen für das frostige Klima. Sonst hätten die 30 chinesischen Künstler ihre Figuren und Gebäude nicht bauen können.

In ihrer nordchinesischen Heimatstadt Harbin finden solche Ausstellungen dagegen immer draußen statt. Denn dort können die Temperaturen im Winter auf minus 40 Grad Celsius sinken. Weil das nun mal in unseren Breiten unüblich ist, fühlt sich Ma Yue in diesen Tagen ein bisschen wie im Frühling. Während den Besuchern Mütze, Schal und Handschuhe zu empfehlen sind, trägt der 54-Jährige eine dünne Jacke.

Vielleicht hat das aber auch mit seiner Arbeit in der Halle zu tun. Schließlich muss er zunächst eine Menge Kraft aufbringen, um aus 2,50 Meter hohen Eisblöcken prächtige Glanzstücke zu machen. Für das chinesische Mädchen, das auf einer Bank sitzt, verwendet er fünf gefrorene Klötzer. Mit einer schweren Kettensäge schlägt er grobe Formen ins Eis. Erst danach greift er zu kleinen Spachteln, Feilen und Hämmern und verpasst seinem Kunstwerk den Feinschliff: Muster im Kopftuch, auf Strümpfen und Schuhen. »Meine Werkzeuge sind sehr scharf, deshalb muss ich jetzt nicht mehr sehr aufdrücken«, erklärt Ma Yue, der Weltmeister der Eisschnitzer.

Von den insgesamt 72 bis zu sechs Meter hohen Skulpturen hat er vier erschaffen, die aus mehreren Teilen bestehen. Das Drachenboot sei seine größte Herausforderung gewesen. Für den geschwungenen Rumpf, die vielen Aufbauten und Türmchen sowie Verzierungen brauchte er drei Tage. Märchenhaft schwimmt das scheinbar gläserne Gefährt nun im Eis und man hat das Gefühl, einsteigen zu müssen.

Bei diesem Kunstwerk geht das nicht. Doch es gibt gefrorene Schnitzereien, die von den Besuchern berührt und benutzt werden dürfen: Eine durchsichtige Bank beispielsweise oder eine Brücke, die zu überqueren ist. Wer will, erklimmt ein Stück chinesische Mauer aus gefrorenem Wasser.

Zwischen Tempeln, Pagodentürmen und einem Schloss stehen gefrorene Eisbären, Saurier, Elche sowie Schneewittchen mit den sieben Zwergen. »Das Märchen kennt bei uns jedes Kind«, berichtet die Dolmetscherin Lin Yang. Als ein »Geschenk an Berlin« bezeichnen chinesische Eiskünstler das Brandenburger Tor. Sie schufen das rund vier Meter hohe Bauwerk aus etwa 130 Eisblöcken in einer Woche. Als Vorlage diente ein Foto.

»Die Ausstellung wird ständig erweitert«, sagt Heinz-Jürgen Zamzow, der das Eisfestival vermarktet. Jede Woche sollen vor den Augen der Zuschauer ein bis zwei neue Skulpturen entstehen. Mitte Januar ist ein Wettbewerb internationaler Eiskünstler geplant. Zamzow geht davon aus, dass solche Eisfestivals in Berlin zu einer guten Tradition werden. Doch einen Wermutstropfen hat die eisige Kunst schon: Nach Veranstaltungsende werden die Figuren zerfließen.

Bis 19. Februar täglich 10 bis 22 Uhr, Wanda-Kallenbach-Straße 10/6. www.iceart-china.de

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