Gegenwind für OB-Kandidaten

Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) mit alten Bekenntnissen als IM in einer neuen Situation

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem jüngst vor allem LINKEN-Politiker unter Druck gerieten, weil sie angeblich oder tatsächlich eine einstige Stasi-Mitarbeit verschwiegen bzw. nicht vollständig dargelegt haben, geraten nun auch Politiker ins Visier, die seit 15 Jahren einen offenen Umgang mit diesem Teil ihrer Biografie gepflegt haben.

Hans-Jürgen Scharfenberg, der langjährige Potsdamer Fraktionschef der LINKEN (früher PDS), hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er mehrere Jahre inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen ist. Das war bekannt, als 2002 Scharfenberg nur mit einem Rückstand von wenigen Dutzend Stimmen die Wahl zum Potsdamer Oberbürgermeister verlor. Das war auch bekannt, als er bei der jüngsten Landtagswahl das landesweit beste Erstimmenergebnis einfuhr.

Nun steht 2010 erneut eine OB-Wahl an. Bislang galt Scharfenberg als der aussichtsreichste Kandidat, und Anfang Januar hatte er auch erklärt, dafür bereitzustehen, sofern seine Partei ihn dazu nominieren wolle. Das wird ihm nun jedoch streitig gemacht, Gegenwind ist aufgekommen.

Als Zeuge erschien in der Öffentlichkeit LINKEN-Kreisparteichef Günther Waschkuhn. Zitiert wird er in den Medien mit den Worten, die Situation sei »anders als 2002«. Damals habe die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit »noch keine Rolle gespielt«. Wenn Scharfenberg antrete, »dann bekommen wir einen Stasi-Wahlkampf«. Schließlich soll Waschkuhn gesagt haben: »Wir können nicht alles von einem Mann abhängig machen. Manchmal muss das Interesse einer Person hinter dem der Partei zurückstehen.«

Am Tage der Veröffentlichung bestritt Waschkuhn, sich in dieser Weise geäußert zu haben. In der Tat aber gibt es eine neue Situation. Als noch sehr viele Menschen genau darüber Bescheid wussten, unter welchen Bedingungen in der DDR gehandelt und entschieden wurde, verfing das Stasi-Thema weniger. Schillerndster Ausdruck dafür war der Fall des Nachwende-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Das Für und Wider seiner langjährigen Stasi-Kontakte wurde in einem lang andauernden Verfahren breit untersucht. Eine Mehrheit im Landtag sprach ihn vom Schuldvorwurf frei. Die Brandenburger wählten ihn und seine Partei dann mit 54 Prozent. Inzwischen ist eine andere Generation ohne direkten DDR-Hintergrund nachgewachsen.

LINKEN-Fraktionschefin Kerstin Kaiser – sie selbst hat eine Stasi-Mitarbeit offenbart – hat vor diesem Hintergrund den Vorschlag der Grünen begrüßt, eine Enquete-Kommission zur Geschichtsaufarbeitung einzuberufen. »Die Lehren der Vergangenheit führen direkt zu Demokratie, Freiheit und Menschrechte.« Sie wehrte sich allerdings gegen den Plan, daraus eine »Vergangenheitsbewältigung der Vergangenheitsbewältigung« zu machen und die ersten Nachwende-Jahre zu denunzieren. Damit würde »eine heutige Fehlwahrnehmung befestigt«.

Es bleibt abzuwarten, ob mit einer solchen Enquete-Kommission die Einseitigkeit der heutigen Wahrnehmung nur befestigt oder wirklich ein sachlicher Blick auf die Geschichte geworfen werden soll. In letzterem Falle müssten Verbrechen der Staatssicherheit und anderer DDR-Staatsorgane denen des freien und demokratischen Westens gegenübergestellt werden. Sonst hätte eine solche Kommission keinen Wert. Das eine lässt sich ohne das andere nicht erklären.

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