Alle Bezirke gemeinsam gegen Nazis

Zwölf Bürgermeister verabschiedeten Berliner Erklärung, um Rechtsextremen das Wirken möglichst schwer zu machen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Protest gegen »Thor Steinar« in Friedrichshain ND-
Protest gegen »Thor Steinar« in Friedrichshain ND-

Bis vor einem Jahr spielten Rechtsextreme gern Berliner Bezirke gegeneinander aus. Klappte es etwa mit einer Raumanmietung in Friedrichshain-Kreuzberg nicht, wich man kurzerhand nach Steglitz-Zehlendorf aus. Berlin galt unter jungen und alten Nazis deshalb als günstiges Terrain und lockte auch die Bundes-NPD an, die in Reinickendorf zwei Mal – 2006 und 2009 – ihren Bundesparteitag abhielt.

Damit soll jetzt Schluss sein. Nach einem gemeinsamen Fachgespräch, das dem Austausch untereinander diente, verabschiedeten gestern alle zwölf Bezirke der Stadt eine Berliner Erklärung (siehe Kasten), in der sie sich verpflichten, es den Rechtsextremen und ihren Aktivitäten möglichst schwer zu machen. »Das verabredete gemeinsame Vorgehen ist ein großer Erfolg«, betonte Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Schließlich komme den Bezirken »eine Schlüsselrolle« zu, wenn es gilt, die sogenannte raumgreifende Strategie der Rechten einzugrenzen. Also immer dann, wenn sich rechtsextreme Gruppen mit Veranstaltungen im kommunalen Bereich einen normalen Anstrich geben wollen oder sie versuchen, mit Aufklebern und Sprühereien ein Gebiet für potenzielle Opfer rechter Gewalt zur Angstzone zu machen.

»Was den Kampf gegen den Rechtsextremismus angeht, passt zwischen uns kein Blatt Papier«, sagte Lichtenbergs Bürgermeisterin Christina Emmrich (LINKE). Sie hatte das Treffen außerhalb der normalen Zusammenkünfte des Rates der Bürgermeister einberufen, um sich auszutauschen, wie man künftig gemeinsam vorgeht. Wobei der Erfahrungsschatz in den einzelnen Bezirken durchaus unterschiedlich ist: In Friedrichshain-Kreuzberg beispielsweise gibt es zur Zeit juristische Auseinandersetzungen um ein Geschäft der bei Rechten beliebten Modemarke »Thor Steinar«. »Es ist gelungen, ein hohes Maß an gesellschaftlichem Widerstand gegen den Laden zu organisieren«, berichtete Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Doch für die juristische Auseinandersetzung, um eine Räumungsklage durchzusetzen, bedarf es eines langen Atems.

Einen schwierigen Kampf ficht aktuell auch die Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick, Gabrielle Schöttler (SPD), aus. Denn in der Kneipe »Zum Henker« in der Nähe des S-Bahnhofs Schöneweide sammelten sich in den vergangenen Monaten immer wieder Neonazis. Der Bezirk versucht deshalb, eine Schließung der Lokalität zu erreichen, was nicht ganz einfach ist.

Positive Erfahrungen, die Bezirksverantwortliche mit Nutzungsvereinbarungen gemacht haben, schilderte Steglitz-Zehlendorfs Bürgermeister Norbert Kopp (CDU): Durch die Festlegung bestimmter Klauseln in den Mietverträgen sei es gelungen, der NPD die Lust zu nehmen, in dem Bezirk Veranstaltungen durchzuführen. Ähnliches schwebt den Verantwortlichen künftig auch für private Vermieter vor. Diese sollen für das Thema Rechtsextremismus sensibilisiert werden und ebenfalls antirassistische Klauseln in Mietverträgen verankern. Damit man im Bedarfsfall rechte Infrastruktur wie Kneipen und Klamottenläden unproblematisch und schnell wieder kündigen kann.

Doch ohne die Bürger wird das vorbildliche Agieren der Bezirke nicht funktionieren: »Wenn es um rechtsextreme Propaganda geht, muss die breite Öffentlichkeit das wahrnehmen«, forderte Christina Emmrich. Und: »Wir dürfen uns nicht einlullen lassen, sondern müssen mit offenen Augen durch den Bezirk gehen.« Denn je länger rechte Symbolik im öffentlichen Raum präsent ist, umso schlechter sei dies.

Berliner Erklärung aller 12 Bezirksbürgermeister

  • Die Bezirksverwaltungen des Landes Berlin, vertreten durch die 12 Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister, setzen sich gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Bezirke für eine demokratische, weltoffene und tolerante Hauptstadt ein.
  • Die heute diskutierten rechtlichen und politischen Möglichkeiten, wie etwa Mietklauseln zur Verhinderung rechtsextremer Wirtschaftsunternehmungen oder eine entsprechende Vergabepraxis öffentlich-rechtlicher Räume, sollen in allen hier vertretenen Bezirken zukünftig zur Praxis werden.
  • In unseren Rathäusern, auf Straßen und Plätzen unserer Bezirke haben antisemitische, rassistische und antidemokratische Äußerungen und Organisationen keinen Platz.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.