»Wir haben niemals geweint in Sobibor«
Überlebender des Vernichtungslagers sagte aus
München (dpa/ND). Der 82 Jahre alte Thomas Blatt schilderte am Dienstag vor Gericht die Abläufe in dem Lager, in dem seine Familie in den Gaskammern starb. Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk ist angeklagt, 1943 bei der Ermordung von 27 900 Juden in Sobibor geholfen zu haben. Der 89-Jährige verfolgte das Verfahren erneut mit einer Kappe über dem Gesicht.
»Ich suche keine Rache, aber ich suche Gerechtigkeit«, stellte Blatt unmittelbar vor Beginn der Verhandlung klar. Wie der zweite geladene Zeuge Philip Bialowitz (84) war Blatt bei seiner Ankunft in Sobibor als jüdischer Zwangsarbeiter ausgewählt worden. Beide entgingen damit dem Tod in der Gaskammer und konnten bei einem Aufstand im Oktober 1943 fliehen. Konkret an Demjanjuk als Wachmann können sich beide Zeugen nicht erinnern. Blatt sagte im Zeugenstand, er habe bereits vor seiner Ankunft gewusst, dass Sobibor ein Vernichtungslager war. Das sei in seinem etwa 70 Kilometer entfernten Heimatort Izbica unter anderem von polnischen Christen berichtet worden – die Juden durften den Ort schon nicht mehr verlassen. Die Massenvernichtung der Juden ab 1942 sei für ihn erlebbar gewesen, etwa als er versuchte, nach Ungarn zu fliehen und bei der Fahrt am Vernichtungslager Belzec das Feuer sah und den Geruch wahrnahm.
In Sobibor musste Blatt den Frauen vor den Gaskammern die Haare schneiden und die Kleidung der Ermordeten sortieren. Bei der kleinsten Regung seien die Menschen erschossen worden. »Wir haben niemals geweint in Sobibor« – denn wer weinte, wurde erschossen. »Die Arbeit in Auschwitz war schwerer. Aber der Terror war in Sobibor schlimmer«, sagte Blatt weiter.
Für die Befragung von Blatt und Bialowitz, die beide in den USA leben, sind bis zum Donnerstag drei Prozesstage angesetzt.
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