Nachteile von Ginseng, Ginkgo & Co
Nahrungsergänzungsmittel beeinträchtigen Wirkung von Arzneien
Vor allem ältere Menschen konsumieren Nahrungsergänzungsmittel. 43 Prozent der Frauen zwischen 65 und 80 Jahren und 30 Prozent der Männer im gleichen Alter nehmen laut der Nationalen Verzehrstudie aus dem Jahr 2008 regelmässig zusätzliche Präparate zu ihrer Kost ein.
Im vergangenen Jahr verkauften deutsche Apotheken, Drogerien und Supermärkte denn auch für 1,5 Milliarden Euro solche Mittel. Vielen Konsumenten ist jedoch nicht klar, dass diese Präparate die Wirkung lebenswichtiger Medikamente aufheben oder schwächen können. Die Hersteller weisen auf die von ihren Produkten ausgehenden Risiken in der Regel weder auf der Verpackung noch auf den Beipackzetteln hin. Hierfür gibt es – abgesehen von Vorschriften zur Kennzeichung – auch keine entsprechenden Vorschriften.
Es ist umstritten, ob Ginkgo-Extrakte wirklich gegen Demenz helfen und die Konzentrationsfähigkeit steigern, wie die Hersteller behaupten. Darüber wurde mehrfach in dieser Zeitung berichtet. Ihr Konsum steigert auf jeden Fall die Blutungsbereitschaft. Ginkgohaltige Präparate können den Effekt von Medikamenten zur Blutverdünnung wie Aspirin oder Marcoumar verstärken, erklärt Natascia Corti, Oberärztin der Klinik für klinische Pharmakologie und Toxikologie am Unispital Zürich: »Dadurch besteht das Risiko unerwarteter Blutungen«. Zudem können Ginkgo-Produkte allergische Reaktionen, Erbrechen, Durchfall und Übelkeit hervorrufen und die Krampfschwelle für Epileptiker heruntersetzen. Dabei wissen nur wenige Konsumenten, dass zubereitete Ginkgo-Tees oft hohe Konzentrationen an Ginkgolsäure enthalten.
Auch hochdosierte Knoblauchprodukte und Omega-3-Fettsäuren etwa in Fischöl können die Blutgerinnung hemmen. Angela Clausen, Ernährungs-Expertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, warnt: »Jedes dieser Produkte, vor allem eine Kombination, kann das Risiko innerer Blutungen erhöhen.« Den gegenteiligen Effekt können Vitamin K oder Coenzym Q haben: Sie verbessern gemäss Experten die Gerinnung und können Blutverdünner schwächer wirken lassen.
Fallberichten von Betroffenen zufolge kann auch Ginseng die Wirkung gewisser Medikamente wie Blutverdünner, Östrogene und bestimmte Schmerzmittel verringern. Zudem erhöhen Diabetiker, die Ginseng zu sich nehmen, ihr Unterzuckerungs-Risiko. Viele ältere Menschen schlucken Calcium-Präparate, um sich vor der Knochenkrankheit Osteoporose zu schützen. Calcium vermindert jedoch die Aufnahme vieler Arzneistoffe in den Körper. Es schwächt nachweislich die Wirkung von Medikamenten zur Knochenstärkung sowie bestimmter Antibiotika. »Diese wirken im schlimmsten Fall nicht mehr«, sagt Expertin Natascia Corti. Daher rät sie: »Calcium sollte man nie zusammen mit Medikamenten einnehmen, sondern immer ein paar Stunden früher oder später.«.
Auch die Einnahme von Selen kann Risiken bergen. Der Mineralstoff stärkt laut den Herstellern die Immunabwehr, wirkt aber in hoher Dosis giftig. Neuere Studien belegen, dass Testpersonen, die eine längere Zeit täglich 200 Mikrogramm des Wirkstoffs zu sich nahmen, das Risiko einer Diabetes-Erkrankung verdreifachten. Genau diese Tagesdosis empfehlen viele Hersteller. Tatsächlich benötigt ein Erwachsener nur 30 bis 70 Mikrogramm Selen am Tag. Die kann er laut Ernährungsexperten aus Eigelb, Hühnerfleisch und Vollkorngetreide, Fisch, Nüssen und Hefe beziehen.
Wer regelmässig Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente nimmt, sollte den Experten zufolge bei auffälligen Symptomen zum Arzt oder Apotheker gehen. Für die Ernährungsberater sind die meisten Ergänzungsmittel überflüssig. Bei einer ausgewogenen Ernährung könne fast jeder auf sie verzichten.
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