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Dick aufgetragen

Theater im Palais präsentiert »Berliner Legende«

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Caruso sang dort und die große Pawlowa tanzte, es wirkten Oskar Schlemmer und Giorgio de Chirico als Bühnenbilder und Gustav Gründgens als Regisseur, zu Besuch war »tout Berlin« von Kaiser Wilhelm bis Thomas Mann: »Krolls Etablissement« war fast 100 Jahre lang für jeden Berliner und Berlin-Touristen ein Muss. Mit Erzählungen und Liedern lässt das Theater im Palais die Legende mit der wechselhaften Geschichte wieder auferstehen – leider in einem so gekünstelt verschmitzten Tonfall, dass einem jeder Spaß vergeht.

Dabei stand das riesenhafte Ausflugslokal im Tiergarten lange Zeit für Vergnügungen der höheren Schichten. Die vom königlichen Baumeister Ludwig Persius geplante schlossähnliche Anlage im Tiergarten übertraf bei der Eröffnung 1844 alle bekannten Dimensionen: 5000 Gäste passten in die drei großen Säle, zwei Wintergärten und 14 Gesellschaftsräume. Mit immer neuen Attraktionen wie aufwendigen Maskenbällen, Walzertanz, Italienischen Nächten, Possen und Opern sowie einer Art Achterbahn im Garten lockten Inhaber Joseph Kroll und später seine Tochter das Publikum an. »Nich bei Kroll jewesen, nich Berlin jewesen«, hieß es damals, und trotzdem trudelte das Haus immer wieder in wirtschaftliche Schräglage. Ab 1898 wurde es zum Opernhaus, im Volksmund Kroll-Oper, und machte mit bahnbrechend modernen Inszenierungen von sich reden. 1943 fiel das Haus einem Bombenangriff zum Opfer, die letzten Reste der Ruine verschwanden 1957 aus dem Stadtbild; nur ein Gedenkstein im Tiergarten erinnert heute an Krolls Etablissement.

Das Theater im Palais widmet sich abwechslungsreich und eigentlich auch unterhaltsam dieser von vielen vergessenen Kulturstätte, die nicht nur ein Sinnbild ist für über 100 Jahre preußisch-deutscher Geschichte, sondern mit ihrer ewigen finanziellen Problematik auch typisch ist für ein bis heute andauerndes Berliner Grundproblem: dem Zwiespalt nämlich zwischen dem Metropolen-Anspruch und preußischer Beamtenkrämerei, zwischen dem Wunsch nach Einmaligem, Großem und kleingeistiger Zensur.

All dies deutet die Inszenierung unter der Regie von Barbara Abend (auch Buch) zwar an, doch da nichts den humorigen Grundtenor stören soll, stehen die zahlreichen Beispiele für Zensur und Beamtenwillkür in einer Reihe mit anderen Zeitdokumenten; Briefe, Anträge und Zeitungsartikel, Literaturauszüge und Gedichte werden von Gabriele Streichhahn, Jens-Uwe Bogadtke und Carl Martin Spengler, alle drei in schwarzem Frack, brav chronologisch vorgetragen. Statt aktuelle Bezüge herzustellen zur heutigen Amtswillkür, wird ein damaliger Paragrafenreiter durch den Kakao gezogen, oder besser sein Name: Der Mann hieß, hohoho, Müffling. Wie witzig, die betagten Zuschauer klatschen sich begeistert auf die Schenkel. Auf diese anbiedernde Art, die das Publikum wohl »zum Schmunzeln« bringen soll, geht es weiter, nicht ohne viel zweideutige Zwinkerei. Alle ein, zwei Minuten wird der wohlwollend-schulmeisterliche Exkurs abgelöst durch kurze Liedchen, die dann sofort ausgiebig beklatscht werden. Der Lilian Harvey-Song »Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder« darf ebenso wenig fehlen wie Zarah Leanders »Davon geht die Welt nicht unter« und der Gassenhauer »Erst trinken wir noch eins«. Ausnahme ist der von Gabriele Streichhahn rasant vorgetragene »Künstlerball bei Kroll«. Diesen bissig-witzigen Song von Eduard Künneke kriegt sie toll und in irrwitzigem Tempo hin, ansonsten ermüdet ihr dick aufgetragener Berliner Dialekt ebenso wie die in jovialer Grimasse erstarrte Mimik aller drei Darsteller. Nein, diese Geschichtsstunde nervt!

Wieder 29.1./ 24.2., 20 Uhr; Theater im Palais, Am Festungsgraben 1, Mitte, Karten unter Tel. 201 06 93, Internet: www.theater-im-palais.de

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