»Omega«-Truppe wütet in Kolumbien
Massengrab in La Macarena sorgt für Wirbel
Eine Beobachterdelegation ist in Kolumbien auf ein anonymes Gräberfeld mit bis zu 2000 Leichen gestoßen. Die Staatsanwaltschaft will erst im März mit einer neuen Untersuchung beginnen – nach den Parlamentswahlen.
La Macarena ist berüchtigt. In dem Ort im kolumbianischen Regenwald, rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Bogotá, kämpft seit Jahren der militärische Einsatzverband »Omega« mit gut 21 000 Mann gegen die linksgerichtete Guerillaorganisation FARC. Der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets wurde bewusst gewählt. Die Soldaten haben den Auftrag, dem Kampf der Rebellen ein Ende zu setzen, die Guerilla zu vernichten.
Menschenrechtsorganisationen beklagen in diesem Zusammenhang immer wieder Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Eben deswegen reiste Jairo Ramírez Anfang Dezember mit einer Gruppe britischer Parlamentarier nach La Macarena, um mit den Anwohnern zu sprechen. Der Anwalt und die Delegation ahnten nicht, was sie erwartete. Bewohner des Ortes berichteten, dass immer wieder Bauern, Gewerkschafter und soziale Aktivisten verschwinden. Dann zeigten sie ihnen das Massengrab.
Auf einer ausgedehnten Fläche zwischen einem Militärlager und einem Flugplatz stießen die Delegationsteilnehmer auf ungezählte anonyme Gräber. Seit 2005, so berichteten die Anwohner, vergrabe die Armee hier Leichen. Nach Angaben des Bürgermeisters des kleinen Ortes, Elicier Vargas, sind es bis zu 2000 Tote. In La Macarena könnte sich das größte Massengrab Lateinamerikas befinden. Hier seien so viele Leichen beerdigt worden, dass die Anwohner das Grundwasser nicht mehr benutzen können, beklagte sich der Lokalpolitiker Vargas.
Nicht nur die ausländischen Gäste, auch der Anwalt Ramírez war erschüttert. In Kolumbien, sagt er, fänden sich bis zu 3500 Massengräber. In der Regel seien darin 15 bis 20 Leichen vergraben, nicht aber 2000. Die Armee teilt die Sorge nicht. Nach Angaben des verantwortlichen Militärs, General Javier Flórez, sind in dem Gebiet unweit seines Militärlagers lediglich tote Guerilleros beerdigt worden. Sie seien in Kämpfen gefallen.
Die Zweifel daran sind groß. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind zwischen den Jahren 2002 und 2007 gut 1100 ermordete Zivilisten als Guerilleros in die Statistiken eingegangen. »Falsos positivos« heißen diese Fälle in Kolumbien, also etwa »falsche gefallene Gegner«. Menschenrechtsorganisationen führen für den blutigen Etikettenschwindel zwei Gründe an. Zum einen verlangten die USA Resultate im Kampf gegen die linksgerichtete FARC. Zum anderen bekommen Soldaten in Kolumbien von der Regierung Kopfgelder für getötete Rebellen. Die Zahl der von der Armee ermordeten Zivilisten habe deswegen enorm zugenommen. Nach Ramírez' Angaben stammen viele Leichen in dem jüngst entdeckten Grab aus dem vergangenen Jahr.
Gerade die Darstellung der Armee, bei den Bestatteten handele es sich um gefallene Guerilleros, gibt Anlass zur Sorge, sagt Alexandra Huck vom Berliner Verein kolko – Menschenrechte für Kolumbien. Auch sie verweist auf die 1100 dokumentierten Morde an Zivilisten, die als Rebellen ausgegeben wurden. »Das sind ja nur die Fälle, in denen die Familien die anonym begrabenen Leichen ausfindig machen konnten«, gibt Huck gegenüber ND zu bedenken. Menschenrechtler vermuteten, dass sich hinter den 25 000 verschleppten Menschen in Kolumbien noch viele weitere solche Fälle verbergen.
Huck weist auf ein weiteres Problem hin: »Anscheinend hat die Staatsanwaltschaft nicht garantiert, dass die von der Armee in La Macarena bestatteten Leichen nach rechtsstaatlichen Standards untersucht wurden.« Die deutsche Regierung sollte deswegen »mit allem Nachdruck auf eine umfassende und schnelle Aufklärung drängen«.
Zunächst wird aber nichts geschehen. Die Staatsanwaltschaft in Kolumbien hat schon angekündigt, erst im März mit einer neuen Untersuchung zu beginnen. Schließlich stehen davor die Parlamentswahlen an.
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