Ökonomischer Unsinn

Die Elbe soll laut Bundesregierung nahezu ganzjährig schiffbar werden. Experten halten das für nicht machbar

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Fluss soll 345 Tage im Jahr durchgängig 1,60 Meter tief sein – an diesem Ziel hält man in der Bundesregierung mit Blick auf die Arbeiten an der Elbe fest. Naturschützer, aber auch Betriebswirtschaftler halten diese Zielstellung für Unfug.

Im Jahr 2008 wurde das Ziel klar verfehlt. 160 Zentimeter Tiefe soll die Fahrrinne der Elbe an 345 Tagen im Jahr haben – das hat der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) erst kürzlich bekräftigt. Vor zwei Jahren waren es aber 88 Tage weniger. 2007 wurde das Ziel zwar fast erreicht, doch in den vier Jahren davor war der Pegel längere Zeit – zwischen 35 und 177 Tage – unter der Marke geblieben, die nach den Vorstellungen des Ministerialen ab 2011 permanent gehalten werden soll.

Kosten-Nutzen-Rechnung

Die Zahlen belegen, wie ambitioniert die Elbe-Pläne sind – oder wie unsinnig. Letztere Ansicht vertritt Hans-Ulrich Zabel. Der Betriebswirtschaftler von der Martin-Luther-Universität Halle legte gestern eine Studie vor, in der er die Ausbaupläne nicht zuletzt unter ökonomischem Aspekt betrachtet. Sein Fazit: Der Nutzen eines Flussausbaus steht zu den Kosten, vor allem aber zu absehbaren Schäden in keinem Verhältnis. Eigentlich ist ein Ausbau der Elbe seit einem Beschluss des Bundestages im Gefolge des Elbhochwassers 2002 nicht mehr zulässig. Doch die laufenden Reparaturen und Erhaltungsmaßnahmen an Ufern, Buhnen und Flussbett gehen genau in diese Richtung. 40 Millionen Euro im Jahr werden dafür – einschließlich Verwaltungskosten – ausgegeben.

Befördert werden auf der Elbe jährlich 0,7 Millionen Tonnen Fracht. Jede Tonne, rechnet Zabel vor, werde jetzt schon mit 50 Euro subventioniert. Um die Wassertiefe ganzjährig bei 1,60 Meter zu halten, müsste aber noch deutlich mehr Geld ausgegeben werden – Zabel rechnet mit »Hunderten von Millionen«. Das Frachtaufkommen werde jedoch nur moderat auf 4,6 Millionen Tonnen ansteigen. Um wirklich effizient arbeiten zu können, müssten die Reeder Schiffe mit mindestens 1000 Tonnen Fracht beladen können. Dafür allerdings müsste die Fahrrinne 2,50 Meter tief sein. Und das ist in der Elbe durchschnittlich an 111 Tagen im Jahr nicht der Fall.

Besser wird die Lage nicht: Bei Niedrigwasser wird der Pegel schon jetzt nicht nur knapp, sondern häufig gravierend unterschritten, sagt Ernst-Paul Dörfler vom Naturschutzverband BUND. Und künftig wird es im Einzugsgebiet noch weniger regnen. Derzeit wird nun versucht, die Fahrrinne einzuengen und zu vertiefen. »Dadurch fließt das wenige Wasser aber noch schneller ab«, sagt Dörfler. Kritiker des Ausbaus fürchten, dass bald auch der Bau von Staustufen gefordert wird. »Das wird ein Bauen ohne Ende«, warnt Zabel, »wenn wir jetzt nicht die Notbremse ziehen.«

Der Wissenschaftler hält das nicht zuletzt wegen der zu befürchtenden Schäden durch einen Ausbau für geboten. Allein in Sachsen-Anhalt sorge der Tourismus zum Beispiel auf dem Elberadweg, den 145 000 Radler im Jahr nutzten, für bis zu 20 000 Arbeitsplätze. Mit Schotter beschüttete Ufer aber vergraulten die Urlauber, erst recht verdorrende Bäume im Dessau-Wörlitzer Gartenreich, dem eine Vertiefung des Flusses das Wasser entziehen würde.

Auenwälder in Gefahr

Gefährdet wären so auch die 1300 Quadratkilometer großen Auenwälder. Sie können 1,82 Millionen Tonnen Kohlendioxid binden, was einem ökonomischen Nutzen von 127 Millionen Euro entspreche.

Angesichts solcher Zahlen bezeichnet Zabel den faktischen Ausbau der Elbe nicht nur in umweltpolitischer Hinsicht als fatal. Er sei auch gesetzwidrig, weil EU-Richtlinien eine Verschlechterung des ökologischen Zustands von Flüssen verbieten. Vor allem wäre er aber auch ökonomisch einfach unsinnig: »Das Ziel«, sagt der Experte schlicht, »ist aufzugeben«.

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