Der Weg des Klischees

Der Bushido-Film »Zeiten ändern Dich« verstrickt sich in Plattitüden

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Mama und der Dealer: Elyas M'Barek (als junger Bushido) und Hannelore Elsner
Die Mama und der Dealer: Elyas M'Barek (als junger Bushido) und Hannelore Elsner

In Mario Puzos Mafiadrama »Der Pate« gibt es die Szene, in der der zum Corleone-Klan gehörige Sänger Johnny Fontane vom Killer Luca Brasi aus dem Knebelvertrag mit einem windigen Manager »befreit« wird. Brasi macht ihm einfach das berühmte Angebot, das er nicht abschlagen kann. Auffallend ähnlich wiederholt sich diese Episode in »Die Zeiten ändern Dich«, dem neuen Film des deutschen Blockbuster-Duos Uli Edel (Regie) und Bernd Eichinger (Produktion) über den Berliner Rapper Bushido.

Was bei Puzo jedoch elektrisierend ist, und in der Umsetzung von Francis Ford Coppola nur noch in einem Dialog auftaucht, gerinnt bei Edel zum pathetischen Klischee: Der lokale arabische Mafiapate (Moritz Bleibtreu als trauriger Westentaschen-Al-Pacino) zwingt mit allerhand theatralischem Brimborium und ausgestattet mit einem Krummsäbel den Manager des Labels Aggro-Berlin, den aufstrebenden Rap-Star Bushido aus dem Vertrag zu entlassen. Vielleicht hat es sich tatsächlich so zugetragen, immerhin steht es geschrieben – in der Autobiografie des »Skandalrappers«, auf der der Film beruht.

Zu Beginn tanzt in einer bei David Lynch entliehenen Einstellung der Mittelstreifen der Autobahn im Scheinwerferlicht. Das Rap-Mobil ist auf Tour. In Rückblenden wird die Geschichte des Anis Ferchichi und seiner Wandlung zum späteren Popphänomen Bushido (japanisch für »Weg des Kriegers«) erzählt. Der rappte natürlich schon als Pimpf in der Schule den »Erlkönig« und teilte gegen rassistische Mitschüler kräftig aus. »Respekt« ist ihm bereits damals das Wichtigste und die Mädchen stehen auch auf ihn. Erst recht nachdem er einen schwunghaften Drogenhandel aufzieht. Den finanziert ihm die Mutter, dargestellt von Hannelore Elsner, die tapfer gegen die stereotypen Dialoge anspielt und der Lichtblick des Films ist.

Nach Gefängnisaufenthalt und Bandenkonflikten wendet sich Bushido schließlich, inspiriert ausgerechnet vom 11. September, der Musik zu. Dass er auf diesem Gebiet hoch talentiert ist, und zwar sowohl als Produzent als auch als mit Bühnenpräsenz ausgestatteter Interpret, ist bekannt. Dass vor allem seine frühen Texte vor stumpfer Gewalt, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit strotzen, allerdings auch. Umso bedauernswerter ist, dass der Film wenig von der Musik und ihrem Entstehungs- und Entwicklungsprozess erzählt. Stattdessen verliert er sich in altbekannten Sex-and-Drugs-and-Rap-Anekdoten, die auch das Buch prägen.

Am interessantesten – aber leider in der Darstellung hölzern und dramaturgisch kitschig – ist der Konflikt mit dem gewalttätigen Vater. Den verdammt er zunächst, um ihm später mit der Mutter unterm Brandenburger Tor zu verzeihen.

Eine witzige Szene zeigt den ersten Einblick des Außenseiters in die gnadenlos arrogante und beschränkte Welt der Oberschicht, als er mit betuchter Freundin am Familienessen teilnimmt. Uwe Ochsenknecht beweist hier – zwar wie immer heftig überzeichnet – sein komödiantisches Talent. An anderer Stelle hat auch der unvermeidliche Martin Semmelrogge seinen Kurzauftritt.

Fast schon verwerflich ist, dass die muslimische Gemeinschaft Berlins in dem Film ausschließlich aus prügelnden, dealenden Halbstarken und wortkarg an der Wasserpfeife hängenden Ganoven besteht. Anhand extremer Einzelschicksale wird so das Sarrazin-Geschwätz von den integrations-unwilligen Berliner Muslimen scheinbar belegt.

Abgesehen vom Marketingeffekt war es auch keine gute Idee, dass der Rapper sich selber spielt. Denn der durchaus telegene und vielleicht sogar talentierte Ferchichi hat nur zwei Gesichter im Repertoire: die »manchmal muss ein Mann tun, was er tun muss«-Version und die »fickt euch doch, ihr Spasten«-Variante. Manchmal fällt es ihm auch offensichtlich schwer, ernst zu bleiben – angesichts vor Vokabeln wie »Ehre«, »Familie« und immer wieder »Respekt«, »Kanaken« und »Spasten« strotzenden Dialogen. Auch die Weisheiten aus dem Off trägt Ferchichi ohne jede Nuancierung vor. Zudem kann der gelöste, mit der Welt versöhnte und lang etablierte Popstar den gekränkten und hasserfüllten Teenager von damals nicht mehr wirklich glaubhaft darstellen. Nicht besser ist allerdings Bleibtreu, der seine väterliche Gangsterfigur »Arafat« mit bedeutungsschwangerer Betonmiene fast ins Lächerliche treibt.

Hier liegt der große Unterschied zum offensichtlichen Vorbild »8 Mile«, der relativ authentisch die Geschichte des US-Rappers Eminem beschreibt. Dieser spielt sich in dem Streifen ebenfalls selbst, hat allerdings eine kluge Regie und eine starke Darstellerriege im Rücken, die seine darstellerischen Limitierungen auffangen.

Spannend ist sie allemal, die Geschichte des Radikalrappers aus der Unterschicht, der gegen Rassismus, Armut, und unsolidarische Weggefährten ankämpft, sich durchsetzt und schließlich »als Kanake vorm Brandenburger Tor« spielt. Die Fans werden den Film lieben – für alle Anderen hat Edel die Story verschenkt.

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