Statt des Idiotentests kam die Baseballkeule
Autohändler ohne Führerschein wegen zweier Krawallfahrten vor Gericht
Welchen Beruf sollte man ausüben, wenn man zum Führen eines Fahrzeugs völlig ungeeignet ist? Natürlich den eines Autohändlers. Da kommt man nie in Gefahr, sich ans Steuer zu setzen. So in etwa musste Herr Frank Sch. gedacht haben, als er sich entschied, ein Einmannunternehmen für Autohandel zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt war ihm schon seit Jahren der Führerschein entzogen worden.
Es kam, wie es kommen musste. Frank, der Autohändler testete am 30. September 2008 gegen 13.35 Uhr ein Fahrzeug, das er anzukaufen gedachte, um es teurer wieder zu verkaufen. Ein BMW für stolze 45 000 Euro. Bei der Polizei war er als Nichtführerscheinbesitzer bestens bekannt. Und schon nach einem Kilometer Testfahrt griff der lange Arm des Gesetzes unbarmherzig zu. Doch zum Erstaunen der Beamten zauberte Frank einen Führerschein hervor – einen polnischen. Aber auch ein solches Exemplar war ihm vor Jahren schon einmal weggenommen worden. Statt sich seinem Schicksal zu beugen, spielte Frank wilde Sau, prügelte auf die Polizisten ein, schlug ihnen die Autotür gegen das Bein und überschüttete sie mit einem Unflätigkeiten-Tsunami. »Hätte ich eine Waffe dabei, hätte ich euch alle abgemurkst«, schmetterte er ihnen auf dem Höhepunkt seiner Attacke entgegen.
Knapp einen Monat später, am 11. Oktober gegen 3.40 Uhr, war er wieder einmal wütend. In einem Türkenlokal in Schöneberg war ihm ein lupenreiner MPU-Attest versprochen worden, ein Dokument über einen bestandenen Idiotentest. Frank blätterte 1600 Euro hin – und fiel durch. Das brachte ihn wieder auf die Palme, er knöpfte sich den »MPU-Vorbereiter« mit einem Gummiknüppel vor, stürmte zu später Stunde erneut ins Lokal, kippte sich ein paar Harte hinter die Binde und ging auf den MPU-Verkäufer los. Doch der war »ein durchtrainierter Typ« und holte statt des rettenden Idiotenpapiers eine Baseballkeule aus der Tasche.
Frank flüchtete – volltrunken und mit einem fremden Mercedes. Schon die erste Kurve war zu viel. Zwei Autos am Straßenrand verwandelte er in Schrott und raste weiter. Aber neugierig war er schon. Also fuhr er noch einmal zurück, um nachzuschauen. Doch die Polizei war zur Stelle und erkannte in dem angeschrammten Mercedes das Verursacherfahrzeug. Nach kurzer Verfolgungsjagd musste sich der verhinderte Autohändler der polizeilichen Übermacht beugen. Vier Ordnungshüter waren erforderlich, um den wilden Stier bei den Hörnern zu packen. Der schlug, brüllte, beleidigte, drohte und landete in der Ausnüchterungszelle. »Ich werde euch alle vergasen.« Weil ihm keine Bösartigkeit zur Steigerung mehr einfiel, schmetterte er noch ein strammes »Heil Hitler« hinterher.
Vor Gericht nun ein völlig am Boden zerstörter, kleinlauter Mann, immer dem Weinen sehr nahe, von den Anwälten bedrängt, sich bei den Polizisten zu entschuldigen. Er gesteht alles, bedauert alles und will nie wieder etwas mit Autos zu tun haben. Doch ist Frank überhaupt schuldfähig? Seit 20 Jahren ist er in psychiatrischer Behandlung, leidet unter Depressionen. Ein Gutachter soll nun darüber Auskunft geben, wie es mit dem Mann weitergehen soll.
Ein »Nebenprodukt« des Ausraster-Falles: Ein großangelegter Schwindel mit MPU-Tests kam ans Tageslicht und die Gewissheit, dass in Berlin einige Autofahrer unterwegs sind, die den Test gar nicht bestanden haben.
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