Klamme Kriegskasse macht der NATO Sorgen
Einsatzkosten in Afghanistan steigen unablässig / Pakt setzt auf Einsparen und Eintreiben / Auch auf Deutschland kommen neue Forderungen zu
Die NATO setzt angesichts der steigenden Einsatzkosten in Afghanistan auf ein strenges Finanzregime. Der Krieg am Hindukusch ist auch Thema der am Freitag eröffneten Münchner Sicherheitskonferenz.
Istanbul/München (Agenturen/ ND). Die Verteidigungsminister der 28 NATO-Staaten einigten sich in Istanbul auf ein umfassendes Sparpaket, aber auch auf erhöhte Militärbeiträge, wie NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag mitteilte. Deutschland muss mit Zusatzforderungen in mehrstelliger Millionenhöhe rechnen. Nach NATO-Angaben sieht der nun verabschiedete Vier-Punkte-Plan zusätzliche Finanzmittel für 2010 sowie eine Streichliste nicht unbedingt strategisch nötiger Projekte vor. Geplant sind zudem eine Budgetreform sowie ein Finanzierungsvorrang für laufende Einsätze. Details sollen bis März feststehen. Diplomaten zufolge fehlen der NATO im laufenden Jahr mindestens 700 Millionen Euro.
Als Grund für das Defizit nannte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg neben den engen Militärbudgets eine »Kostenexplosion«. Sie ist vor allem der internationalen Afghanistan-Truppe ISAF geschuldet. Die NATO hatte kürzlich beschlossen, die Zahl der Soldaten von derzeit 110 000 auf rund 150 000 aufzustocken und zugleich die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte voranzutreiben.
Zu den Kürzungsplänen sagte Guttenberg: »Da darf es keine Tabus geben.« Umstritten ist, an welche Projekte der Rotstift angelegt wird. In Afghanistan plant die NATO millionenschwere Investitionen in die Infrastruktur, etwa zum Bau eines neuen ISAF-Hauptquartiers in Kabul oder von Flugpisten in Kandahar. US-Verteidigungsminister Robert Gates kündigte an, die Kommandostruktur der NATO genau unter die Lupe nehmen zu wollen. Im Gespräch ist die Schließung kleinerer Hauptquartiere.
Welche Zusatzforderungen auf die Bundesregierung zukommen, kommentierte Guttenberg vor seiner Weiterreise zur Münchner Sicherheitskonferenz nicht. Deutschland ist mit einem Anteil von 16 Prozent am NATO-Budget der zweitgrößte Zahler nach den USA, die für rund 23 Prozent aufkommen. Allein der Afghanistan-Einsatz kostet die Bundesrepublik im Jahr 1,3 Milliarden Euro für Verteidigung und Entwicklungshilfe.
Die 44 ISAF-Truppensteller berieten in Istanbul zudem über die Umsetzung des neuen strategischen Konzepts für Afghanistan. Pentagonchef Gates forderte »Tausende zusätzliche Ausbilder und Mentoren für die afghanische Armee und Polizei«. Bis Ende 2011 will die NATO insgesamt gut 300 000 afghanische Polizisten und Soldaten ausbilden. Frankreich kündigte in Istanbul zusätzliche 80 Militärtrainer an.
Guttenberg sieht Deutschland derzeit nicht in der Pflicht. Gates habe »hohe Wertschätzung« über die geplante Entsendung von bis zu 850 zusätzlichen Bundeswehr-Soldaten zum Ausdruck gebracht, sagte der CSU-Politiker. Der Bundestag muss der Aufstockung des Kontingents von bisher maximal 4500 Soldaten noch zustimmen.
Rasmussen begrüßte eine Initiative der USA, in Afghanistan verstärkt gegen Sprengfallen vorzugehen. Dafür will Washington den Paktpartnern die Technik zum Aufspüren von Minen zur Verfügung stellen oder verkaufen sowie eine gezielte Ausbildung anbieten.
Am Rande der NATO-Konferenz in der türkischen Metropole protestierten Gegner des Paktes. Auf Spruchbändern stand »Nein zur NATO« oder »NATO – Mörder der Völker – hau ab«.
Unterdessen warnte der deutsche Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) vor nationalen Alleingängen beim endgültigen Truppenabzug aus Afghanistan. Der Abzugstermin müsse ein »gemeinsamer Zeitpunkt« sein und keine »nationale Entscheidung«, sagte Schmid am Freitag vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz. Die beteiligten NATO-Staaten müssten eine einvernehmliche Lösung finden. Davon, ob dies gelinge, hänge auch ab, »ob die NATO den Test Afghanistan besteht«, betonte Schmidt nach einer Diskussion von CSU-Vertretern mit US-Politikern.
Die Münchner Sicherheitskonferenz wird auch den Atomstreit mit Iran thematisieren. Überraschend reiste der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki am Freitag in die bayerische Landeshauptstadt.
Seite 6
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.