Ein Dorf erzeugt seinen Strom allein

Feldheim bei Treuenbrietzen könnte ein Vorbild für die dünn besiedelten Regionen werden

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Traum von der unabhängigen Energieversorgung: Das kleine märkische Dorf Feldheim will ihn Wirklichkeit werden lassen. Ideenreichtum, Wagemut und Zwischenergebnisse sind beachtlich. Ein Vorbild für das ganze Land ist das aber allenfalls begrenzt.

Ausbleibende Öllieferungen? Teures Gas? Streit um die Kohleförderung? Das Fleckchen Feldheim im Kreis Potsdam-Mittelmark will das bald alles nicht mehr fürchten müssen. Es ist dabei, den Weg in die strategische Unabhängigkeit zu gehen.

Äußeres Zeichen dieses Strebens nach Autarkie sind die 43 Windräder am Dorfrand. Sie verwandeln die Windenergie in elektrischen Strom für Haushalte und Betriebe. Das wäre die Stromquelle. Die Quelle für die Wärmeenergie, die 134 Menschen und ein paar kleine Firmen nötig haben, kann man besser riechen als sehen. Sie strömt über ein Verteilsystem von insgesamt drei Kilometern Länge aus einer von der Agrargenossenschaft seit November 2008 betriebenen Biogasanlage. Die Ferkelmast liefert Gülle und wird mit Fernwärme versorgt. Das bedeutet, die Ferkel haben selbst Gelegenheit, für 32 Grad Temperatur in ihrem Stall zu sorgen. Hinzu kommen Rindergülle und Mais von umliegenden Landwirten. An besonders kalten Tagen springt zusätzlich ein Heizwerk für Holzhackschnitzel an. Überschüssiger Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Experimente mit Energiespeichern laufen.

Ortsvorsteherin Petra Richter findet die Ideen »richtig«. Ein Beirat von fünf Personen wacht über das Ganze. Kann dieses Modell ein Vorbild für das ganze Land sein? Es ließe sich »bis zu einer Größe von 1000 Bewohnern kopieren«, sagt Projektchef Andreas Backofen. Jenseits dieser Größenordnung »rechnen sich die Tiefbauarbeiten am Ortsnetz nicht mehr«.

Was also für den Treuenbrietzener Ortsteil Feldheim gilt, das gilt schon für die gesamte Stadt Treuenbrietzen nicht mehr. Im Ballungsraum Berlin, Potsdam und Umland würde es nicht funktionieren. Zukunftschancen sprechen Experten dem Feldheim-Modell für die dünn besiedelten ländlichen Regionen Brandenburgs zu. Schon heute bieten immer mehr einstige Militärflächen ganzen Feldern von Sonnenkollektoren Raum. Dieser Trend wird aller Voraussicht nach anhalten. In dünn besiedelten Räumen wird die Stromversorgung mit Überlandleitungen und die Fernwärme irgendwann nicht mehr effektiv sein, was die Suche nach Insellösungen antreibt.

Doch beäugen Stromkonzerne, die um ihre Pfründe bangen, solche zarten Pflänzchen wie Feldheim misstrauisch nach der Methode: Wehret den Anfängen.

Ein weiteres Problem: Die sogenannte Verspargelung der Landschaft mit Windrädern trifft auf entschiedene Gegner. Es gab dazu schon ein Volksbegehren, das allerdings scheiterte. Eine Frage ist auch, wie lange die alternative Stromerzeugung noch gefördert wird. Die zunehmende Nachfrage nach Gülle und nachwachsenden Brennstoffen verteuert diese zwangsläufig. Damit stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Die augenscheinlich günstige Relation von Aufwand und Energiegewinnung bei Windrädern oder auch Solaranlagen berücksichtigt zumeist nicht die sehr energiereiche Produktion solcher Anlagen und ihre irgendwann fällige Entsorgung. Dies einbezogen, ergibt sich ein anderes Bild.

Ein Gerichtsurteil von vor zwei Jahren wirft den Wandel in der Energieerzeugung zurück. Demzufolge muss die Gewerbesteuer ausschließlich in den Gemeinden entrichtet werden, in denen die Betreibergesellschaften von Windrädern ihren Sitz haben – nicht mehr in Gemeinden, die diese Räder bei sich aufstellen. Das mindert die Lust, ewig summende Räder in der Nachbarschaft zu dulden.

Inzwischen sind sechs Prozent der brandenburgischen Energieerzeugung auf alternative Basis gestellt worden. Damit hat die Mark ein Ziel erreicht, von dem Deutschland noch weit entfernt ist. Vor zwölf Jahren hat ihr Anteil erst 1,1 Prozent betragen. Perspektivisch soll in der Mark ein Fünftel des Energiebedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt werden.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -