Verhandlung ist Chefsache

Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes trafen sich mit Wowereit / Warnstreik nicht abgeblasen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Vorneweg: Spitzbübisch lächelnd führte Wowereit die Senatoren zum Spitzengespräch.
Vorneweg: Spitzbübisch lächelnd führte Wowereit die Senatoren zum Spitzengespräch.

Die Vertreter des Senats lassen die Gewerkschaftsdelegierten warten. Eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit betreten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) den Verhandlungssaal, um ein Ergebnis für die rund 47 000 Angestellten des öffentlichen Dienstes zu erlangen. Beim letzten Mal, am 20. Januar, war eine Einigung nahe gewesen, die Gewerkschaft ver.di brach die Gespräche jedoch ab, weil sie mit der Regelung der Angleichung der Ost-West-Arbeitszeiten nicht einverstanden war.

Die erneute Verhandlungsrunde gestern im Amtssitz des Innensenators ging auf eine persönliche Intervention Wowereits zurück, der den Abschluss für den öffentlichen Dienst zur »Chefsache« gemacht hatte, um schnell eine Nachfolgeregelung für den ausgelaufenen Solidarpakt zu finden, mit dem die Beschäftigten seit 2003 zur Konsolidierung des Landeshaushalts beigetragen hatten. Vor den Gesprächen gab sich der Regierende Bürgermeister gegenüber ND süffisant optimistisch: »Der Senat ist abschlussbereit, es hängt an den Gewerkschaften.« Ob er ein verbessertes Angebot im Gepäck habe als im Januar, als der Senat unter anderem eine Gehaltsanhebung von 1,2 Prozent vorgeschlagen hatte, wollte Wowereit nicht sagen. Nur: »Die Spielräume sind begrenzt, aber sie sind dennoch vorhanden.« Beobachter der Verhandlungen gingen gestern davon aus, dass, wenn sich die in der Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Gewerkschaften auf eine einheitliche Verhandlungsposition einigen würden, dann auch der Senat noch mal nachbessern würde.

Ob sich die Gewerkschaften, die sich in den vergangenen Woche jedoch nicht immer einig waren, auf eine solche gemeinsame Position verständigen konnten, war gestern unklar. Im Kern geht es dabei um die Frage, in welches Tarifrecht das Land Berlin nach dem abgelaufenen Solidarpakt zurückkehren soll: In das der Bundesländer oder das der Kommunen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die dbb Tarifunion würden das Tarifrecht der Länder (TdL) bevorzugen – genau wie der Senat.

Ver.di, deren Klientel dadurch mehr Vorteile hätte, präferiert dagegen das Tarifrecht der Kommunen – den sogenannten Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD). »Bei gutem Willen muss sich das aber Regeln lassen«, erklärte Susanne Stumpenhusen, die Landesbezirksleiterin Berlin-Brandenburgs gegenüber ND. Sie saß in dieser Tarifrunde zum ersten Mal mit am Tisch. Denn auch bei den Gewerkschaften sind die Gespräche inzwischen Chefsache. Ob die Chefs gestern tatsächlich zu einer Einigung kamen, war bis zum Redaktionsschluss indes nicht bekannt. Es wurde trotz der inhaltlichen Nähe mit harten Gesprächen gerechnet.

Die für heute geplanten Warnstreiks von ver.di im öffentlichen Dienst sollen auf jeden Fall stattfinden. »Wir können nicht mehr zurückrufen«, bat Stumpenhusen um Verständnis.

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