Moody's warnt vor »langsamem Tod«
Portugal: Das südwesteuropäische Land steht zu Unrecht am Pranger
Die Ratingagentur Moody's nennt Portugal in einem Atemzug mit Griechenland. Nach Ansicht der Bonitätswächter drohe beiden Ländern ein »langsamer Tod«, weil sie einen immer größeren Teil ihrer Einnahmen zum Schuldendienst einsetzen müssten.
Dieser wird aber gerade wegen solcher Einschätzungen immer teurer. Portugal droht angesichts der fatalen Bewertung eine neue Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Das Land müsste dann noch höhere Zinsen für seine Staatsanleihen bezahlen, was das Defizit weiter ansteigen ließe.
»Wenn Portugal eine Herabstufung verhindern will, muss es bedeutsame und glaubwürdige Maßnahmen zur Kontrolle seines Haushaltsdefizits ergreifen«, meint Moody's. Diese Einschätzung ist allerdings verwunderlich, denn das Land wird etwa auf der Webseite des Auswärtigen Amts dafür gelobt, dass es unter der sozialistischen Minderheitsregierung von José Sócrates binnen drei Jahren gelungen sei, das Haushaltsdefizit auf 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) halbiert zu haben. Im Krisenjahr 2009 betrug die Quote aber etwa neun Prozent. Das Land am Rand der Iberischen Halbinsel gehört dennoch nicht zu den dramatischen Defizitsündern. Griechenland, Irland, Großbritannien und Spanien weisen Defizite im Bereich von 12 Prozent auf. Laut dem EU-Finanzministerrat wird sich das Defizit Irlands 2010 und 2011 sogar auf knapp 15 Prozent erhöhen, während es in Portugal stabil bleiben soll.
Auch die Gesamtverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ist nicht hoch: 2009 waren es gut 77 Prozent. An der Spitze steht noch Italien leicht vor Griechenland mit knapp 115 Prozent sowie Belgien mit 97 Prozent. Portugal liegt auch nur leicht über dem Schuldenniveau Deutschlands oder Frankreichs, deren Defizite aber ebenfalls zunehmen. Dennoch ist Belgien beim Rating mit der zweitbesten Note eingestuft und damit zwei Stufen besser als Portugal.
Beim großen Nachbarn Spanien ist die Verschuldung noch etwas niedriger, aber sie wächst hier rasant an. Hier ist auch die Arbeitslosigkeitsquote mit fast 20 Prozent fast doppelt so hoch wie in Portugal, was den dramatischen wirtschaftlichen Absturz verdeutlicht. Trotz allem erhält Spanien noch die zweitbeste Einstufung von den Ratingagenturen. Auch an der wirtschaftlichen Entwicklung kann das nicht liegen. Während Portugal zuletzt wieder ein leichtes Wachstum verzeichnete, steckt Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase weiter tief in der Rezession.
Es zeigt sich, dass das Rating mit Vorsicht genossen werden sollte. Die großen Agenturen haben ohnehin längst an Glaubwürdigkeit eingebüßt, seit sie der US-Investmentbank Lehman Brothers noch kurz vor deren Pleite die Bestnote für die Kreditwürdigkeit verliehen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.