Liebesgrüße aus dem Knast

Zum Valentinstag fertigen Insassen der JVA Charlottenburg romantische Geschenke an

  • Fabian Wahl, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Eigentlich möchte Uwe den Tag der Liebe mit seinem Lebenspartner verbringen. Doch Uwe sitzt im Gefängnis. »Am Valentinstag würde ich meinen Schatz am liebsten in den Arm nehmen und feste drücken«, sagt der 46-Jährige, an dessen rechtem Ohr ein kleiner Stecker blitzt. Stattdessen bastelt der gestandene Mann mit seinem Kumpel, dem Wiederholungstäter Enrico (36), in der Justizvollzugsanstalt Charlottenburg Valentinsgestecke. Auf diese Weise überbringen die beiden und ihre Zellengenossen Liebesgrüße aus dem Knast.

Die ersten Blumensträuße, Töpfe und Schalen sind schon fertig. Dort steckt zwischen Narzissen und Tulpen ein rotes Herz mit der Aufschrift »Love«, hier lehnt ein riesiges Styroporherz mit dem Schriftzug »Du bist nicht allein«. An Kreativität mangelt es den Romantikern nicht. »Wir lassen einfach unsere Gedanken spielen«, verrät Enrico, der nach viereinhalb Jahren Freigang wieder sitzt.

Uwe werkelt im Gewächshaus an einem blau lackierten Teller. »An den Rand klebe ich Kieselsteine und in die Mitte kommt noch ein Herz«, sagt der gelernte Florist. Nebenan hat Enrico Rosen gesteckt und mit Glitzerlack besprüht. Im Radio läuft Volksmusik. An der Wand hängen Panoramabilder mit endlosen Landschaften, aber auch ein schwarzes Tuch mit Totenköpfen. Aus einem Vogelkäfig zwitschern Wellensittiche.

»Wenn ich nur eine Woche ständig in meiner Zelle sitzen müsste, würde ich durchdrehen«, sagt Enrico, der draußen oft schnell zuschlug und heute eine dunkle Kappe mit Skorpionen trägt. Er müsste dann immer an seine Ex-Frau und seine Kinder denken, die den Kontakt zu ihm abgebrochen haben. Die Garten- und Bastelarbeit lenke ihn ab. Ähnlich sieht es Uwe, der noch rasch beim Friseur war. »Ich kann mich hier frei entfalten«, sagt er. Zu seinem Verbrechen verrät er nur soviel: »Ich habe etwas gemacht, das man nicht machen durfte.« Dafür muss er nun drei Jahre büßen.

Bei den 300 Insassen in Charlottenburg sind die Knast-Floristen beliebt. »Oft kommen sie einfach auf uns zu und sagen: ›Hey, du arbeitest doch in der Gärtnerei. Ich bräuchte noch schnell was für meine Freundin‹«, berichtet Uwe vom Alltag hinter Gittern. Auch öffentliche Einrichtungen wie das Verwaltungsgericht oder das Berliner Finanzamt zählen zum festen Kundenstamm.

Sobald die beiden aber an den Valentinstag am Sonntag (14. Februar) denken, bekommen sie Panik. »Das ist der Horror«, stöhnt Enrico. »Wir können uns nur in die Arbeit stürzen«, fügt Uwe hinzu. Beide können an drei festgelegten Tagen im Monat Besuch empfangen – der Valentinstag gehört dieses Jahr nicht dazu.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.