Wer kann Landesvorsitz in Niedersachsens SPD?
Basis soll über eine neue Landespitze der Sozialdemokraten mitentscheiden
Der letzte Eintrag auf Monika Griefahns Internetseite stammt noch von Ende Oktober 2009, Griefahn hatte die »German and Baltic Blues Challenge« besucht. Via Twitter lobte sie anschließend, dass nun »auch Jazz gefördert« werde. Was die SPD-Politikerin, bis 1998 Landesumweltministerin unter Gerhard Schröder und später in Berlin einflussreiche Vorsitzende des Auschusses für Kultur und Medien, in diesen Tagen in die Schlagzeilen gebracht hat, hat sie nicht »getwittert«: Nach dem angekündigten Rückzug von Landesparteichef Garrelt Duin strebt Griefahn eine zweite Karriere in der niedersächsischen SPD an. Die Bewerbungen des Friesen Olaf Lies und des Hannoveraners Stefan Schostok für den Vorsitz waren bereits bekannt, nun kam zum Wochenende mit Griefahn eine alte Bekannte hinzu – und mit dem Unternehmensberater Stefan Preuße ein wohl chancenloser Außenseiter.
Sie habe Kapazitäten frei und »biete das an«, begründete die 55-Jährige nonchalant den Vorstoß. Sie wolle der Partei »Mut einhauchen«. Doch in Hannover winkten die Beobachter gleich ab: Griefahns Chancen seien gering, es fehle an Hausmacht. Die gelernte Umweltpolitikerin, die einst als Mitgründerin von Greenpeace Deutschland bekannt geworden war, kommt aus Nordniedersachsen, dem kleinsten Parteibezirk, Lies und Schostok aus den großen Bezirken Weser-Ems und Hannover. Lies, kalkuliert etwa die »Neue Presse« entlang der üblichen Bruchlinien, könne zudem noch mit Unterstützung aus dem Bezirk Braunschweig rechnen.
Dabei sollen Bezirksklüngel diesmal keine Rolle spielen bei der Vorsitzendenwahl. Die komplizierte Struktur der Landespartei – Landesverband, Bezirksverband, Unterbezirksverband, Kreisverband, Ortsverein – finden viele inzwischen hinderlich. Deshalb soll die Basis direkt mitentscheiden: Wer kann Landeschef? In zehn Terminen werden sich die Kandidaten präsentieren, die Basis votiert per Stimmzettel – wenn auch das letzte Wort bei den 200 Delegierten des Parteitags Ende Mai liegt. Man betrete »Neuland«, so die Partei.
Das Casting hat schon begonnen: Am Wochenende traten die Kandidatinnen vor dem 100-köpfigen Parteirat auf, einem Gremium der 45 Unterbezirke. Preuße wurde belächelt, die Übrigen spielten auf demselben Feld: Erneuerung durch Rückbesinnung. Lies sprach von Gerechtigkeit und Teilhabe, Schostok will »wieder« deutlich machen, dass die SPD für Arbeitnehmer eintrete. Und Griefahn? Obwohl sie aus der Schröder-SPD stammt und noch 2009 behauptete, Hartz IV habe »800 000 Menschen aus der Sozialhilfe geholt« und ihnen »wieder Chancen z.B. auf Fortbildung und Eingliederung« gegeben, kann sie mitunter auch auf Rückgrat verweisen: Etwa bei der Bahnprivatisierung, die sie stets bekämpfte.
Bei ihrer Kandidatur muss Griefahn der sogenannten Familienfilzaffäre entkommen: In ihrer Zeit als Umweltministerin hatte es massive Vorwürfe gegeben, sie begünstige ihren Mann – beweisen ließ sich das nie. Und so sagt Griefahn, sie setze auf ihre landesweite Bekanntheit. Tatsächlich besteht ihre Chance in einem Protestvotum der Mitglieder gegen die Bezirke, als Geschäftsführer in Hannover kann zumindest Schostok als deren Vertreter gelten.
Ob das Basiscasting ohne Bezirks-»Achsen« wirklich funktioniert, muss sich zeigen. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass es gerade die Parteibezirke waren, die Noch-Amtsinhaber Garrelt Duin letztlich zur Aufgabe bewegten: Eines seiner wichtigsten Vorhaben war eine Reorganisation der Partei gewesen – nach einer Auflösung der Bezirke. Hannover und Braunschweig leisteten offenen Widerstand – und schon jetzt ist keine Rede mehr von einer radikalen Lösung. Vereinbart wurde stattdessen eine gemeinsame Personalplanung von Landesverband und Bezirken.
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