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Nazis breiten sich in Zossen aus
Weil konservative und linke Parteien im Dauerclinch liegen, können Rechtsextreme fast frei agieren
Ruhig und beschaulich dämmert der Marktplatz von Zossen tief verschneit vor sich hin. Er wird eingerahmt von Rathaus, Stadtpark und Dreifaltigkeitskirche. Menschen schlittern warm eingepackt durch die kleine Ladenzeile. Auf den ersten Blick eine Kleinstadt-Idylle, doch der schöne Schein trügt. Am 22. Januar ging nur einen Steinwurf vom Zentrum das »Haus der Demokratie« in der Kirchstraße in Flammen auf. Ein 16-Jähriger aus dem benachbarten Mellensee hatte es angezündet.
Die Polizei musste nicht lange nach dem Jugendlichen suchen. Schnell gestand Daniel S., dass es kein »Dumme-Jungen-Streich« war, sondern ein gezielter Brandanschlag aus rechtsextremistischer Gesinnung. Die Staatsanwaltschaft erließ Haftbefehl gegen ihn. In der Vernehmung gab er an, dass er zur örtlichen Neonazi-Szene dazugehören wolle. In dem Haus – eine Baracke aus DDR-Zeiten – hatte die Initiative »Zossen zeigt Gesicht« Projekte gegen Rechtsextremismus präsentiert.
Die Tat sorgte bundesweit für Aufsehen und Bestürzung. Der Koordinator des Handlungskonzeptes »Tolerantes Brandenburg«, Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp, erklärte, der Anschlag zeige, dass Brandenburg weiterhin eine starke und engagierte Zivilgesellschaft brauche.
Das sehen Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber und ihre Bürgerliste Plan B etwas anders. Schreiber hat wiederholt in der Öffentlichkeit geäußert, dass die Initiative durch ihr Engagement in der Stadt den Brand ihres Hause selbst provoziert habe. »Die Rathaus- Chefin und Plan B stehen der Initiative ›Zossen zeigt Gesicht‹ eher ablehnend gegenüber«, sagt Jan Kasiske vom Mobilen Beratungsteam des brandenburgischen Demos-Institut für Gemeinwesen.
Warnungen des Potsdamer Innenministeriums, die gut 17 000 Einwohner zählende Stadt sei ein Schwerpunkt für rechtsextreme Aktivitäten, fanden bei der Stadtspitze bisher wenig Widerhall. »Wir schätzen die Freien Kräfte Teltow-Fläming auf bis zu 50 Leute«, sagt Ministeriumssprecher Ingo Decker. »Dazu kommen noch einmal 20 weitere nicht minder gewaltbereite Rechtsradikale.«
Peter Hummer, Stadtverordneter und Plan-B-Mitglied, hat eine andere Wahrnehmung: »Ich sehe hier in Zossen keine rechten Gewalttaten. Wenn ich immer gegen etwas angehe, was so nicht da ist, dann kann es mir passieren, dass man ganz andere Leute nach Zossen zieht.« Er zielt dabei auf angeblich gewaltbereite linksautonome Kreise, die sich in der Stadt breitmachen würden.
»Das mit Linksaußen ist an den Haaren herbeigezogen. Ansonsten gilt: Augen zu und was ich nicht sehe, gibt es nicht. Plan B fährt die Strategie des Ignorierens, des Wegsehens«, kritisiert Jörg Wanke von »Zossen zeigt Gesicht«. Dies war für den selbstständigen Versicherungsmakler und 30 weitere Mitstreiter vor einem Jahr der Grund, sich in einer Bürgerinitiative gegen Rechts zusammenzutun.
»Das Maß war einfach voll«, erzählt Wanke. So habe die Stadt im Sommer 2008 ein »Nationales Fußballturnier« der rechtsextremen Freien Kräfte auf dem Sportplatz Zossen/Dabendorf geduldet. »Danach haben die Rechtsextremisten hier so richtig losgelegt. Aufmärsche, Störung von Gedenkveranstaltungen, Liederabende mit dem NPD-Kader Jörg Hähnel waren da noch die harmlosesten Aktionen.«
Mitte vergangenen Jahres flatterte dem Makler dann nach eigener Darstellung eine Morddrohung ins Haus, und die Scheiben seines Büros in der Zossener Innenstadt wurden eingeschlagen. »Von alldem lasse ich mich und lassen sich meine Weggefährten nicht beeindrucken«, sagt Wanke. »Wir haben nur eine Chance: den Rechtsextremen keine Lücke zu lassen, wo sie hineinschlüpfen können.«
Dafür scheinen die politischen Voraussetzungen jedoch eher schlecht zu sein. »Die Stadt ist ein kommunalpolitisches Pulverfass«, stellt Kasiske vom Mobilen Beratungsteam fest. »In der Stadtverordnetenversammlung reiben sich das konservative Lager, zu dem Plan B gehört, und das linke Lager aus SPD, Linker und VUB auf. Wichtige Entscheidungen werden so blockiert. Das lässt Rechtsaußen sehr viel Platz.«
www.zossen.de www.tolerantes.brandenburg.de
zossen-zeigt-gesicht.de
Residenzpflicht-Ausstellung durch Anschlag zerstört
Vermutlich wusste der 16-Jährige Neonazi nicht, dass in jener Nacht die Ausstellung »Residenzpflicht – Invisible Borders« im Haus deponiert worden war. Sie sollte in der folgenden Woche im Zossener »Haus der Demokratie« eröffnet werden. Dazu kam es nicht mehr, der Brand hat sie zerstört. Allerdings war nur das fixe Inventar versichert, die untergestellte Ausstellung nicht. Ohne Spenden ist ein Wiederaufbau nicht möglich. Die Neonazis, denen die Bürgerinitiative als »Volksverräter«, Asylsuchende und »Sozialschmarotzer« gilt, hätten erreicht, was sie wollten. Anfang Februar beschloss ein Kreis von Unterstützern jedoch, den Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Rund 2000 Euro Materialkosten sind dafür nötig. Damit die Schau, die neue Wege beschritt, um die fürchterlichen Folgen der Residenzpflicht für Flüchtlinge aufzudecken, so bald wie möglich wieder gezeigt werden kann, benötigen die Initiatoren Spenden:
Verwendungszweck: »Residenzpflichtausstellung«
Förderverein des Brandenburgischen Flüchtlingsrats e.V.
Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam
Konto-Nr.: 350 1010 000
BLZ: 160 500 00 Flüchtlingsrat Brandenburg
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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