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Kettenreaktion

  • Lesedauer: 2 Min.
ND-Redakteurin Ines Wallrodt wohnt zur Zeit in der Olympiastadt und berichtet vom Geschehen abseits der Wettkampfstätten.
ND-Redakteurin Ines Wallrodt wohnt zur Zeit in der Olympiastadt und berichtet vom Geschehen abseits der Wettkampfstätten.

Vancouver zeigt sich von seiner allerschönsten Seite an diesem sonnigen Mittwoch. Auf dem Robson Square, dem Herz der olympischen Flaniermeile in Downtown, drängen sich die Olympiafans aus aller Welt, und es passiert jede Menge.

Eine junge etwas rundliche Frau geht in den Liegestütz, schiebt ihren Po in einen spitzen Winkel und stößt die Beine vom Boden ab. Mit ein bisschen Hilfe hält sie den Handstand ungefähr eine Minute. Auch für diesen kleinen sportlichen Erfolg gibt’s Applaus. Von oben kommt ein metallisches Geräusch wie beim Zuziehen einer Gardine: Über den Köpfen der Passanten ist soeben ein Mensch an einem Stahlseil hinweggerauscht.

Aus der Wand hinter mir dröhnt es dumpf. Nach einer Weile ist das Geräusch als Elektromusik wahrzunehmen. Eine Kurzhaarige mit blauem Tuch um den Hals beginnt barfuß eine Tanzimprovisation.

Acht Exil-Iraner, die bisher still mit Schildern in der Hand nebeneinander standen, fangen an, sich ebenfalls zu bewegen. Sie laufen im Kreis und rufen »Freiheit für alle politischen Gefangenen in Iran!«. Ein Passant mit Sonnenbrille entgegnet scherzhaft irgendwas wie »Hey Leute, jetzt geht’s um Olympia!« Das irritiert die Demonstranten aber nicht.

Zwei Meter daneben stellt sich ein Mann auf und bietet auf einem Zettel »Free Hugs« an, kostenlose Umarmungen. Spontan werfen sich ihm die ersten Unbekannten an die Brust – natürlich Olympiafans. Bald sind es schon drei, die nebeneinander ihre Umarmungen erhalten. Wird das eine Kettenreaktion?

Ich kann es nicht mehr verfolgen, denn ein anderer neben mir verwickelt mich in tiefschürfende Gespräche: über Republikaner in den USA und über die Vorzüge, die Cannabis gegenüber Alkohol hat.

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