»Pro NRW könnte sich konsolidieren«
Rechte Wählervereinigung kündigt »Haus für Opfer des Islam« an
ND: Sowohl die rechtspopulistische nordrhein-westfälische »Bürgerbewegung Pro NRW« als auch die neofaschistische NPD wollen Ende März in Duisburg gegen die örtliche Moschee und eine angebliche »Islamisierung Europas« aufmarschieren. Warum finden die Aufmärsche ausgerechnet in Duisburg statt, wo die Moschee nahezu einzigartig integriert ist?
Stolzenberg: Duisburg-Marxloh gilt in Duisburg und NRW als so genannter sozialer Brennpunkt. Viele Menschen in diesem Stadtteil sind von Hartz IV betroffen, und es steht etwa ein Drittel der Gebäude leer. Der Stadtteil wurde zum einen ausgewählt, weil die sozialen Widersprüche so klar auf der Hand liegen und die extreme Rechte dies für ihre Zwecke nutzen will. Die Nazis versuchen, die Migranten im Allgemeinen und Muslime im Besonderen für diesen Umstand verantwortlich zu machen. Es ist ihr erklärtes Ziel, sich als Alternative zu den neoliberalen Parteien zu präsentieren und soziale Missstände rassistisch umzudeuten. Eben dies machen weite Teile der etablierten Parteien jedoch sogar vor. Zum Beispiel hat der Duisburger SPD-Abgeordnete Johannes Pflug öffentlich »Multikulti« im Bezug auf Duisburg unlängst »für gescheitert« erklärt.
Zum anderen ist die Merkez-Moschee das größte Projekt seiner Art in ganz Deutschland.
Die mediale Aufmerksamkeit ist den Rechten gewiss. Und genau die brauchen sie dringend für ihren Landtagswahlkampf. Die Ankündigung, ein »Haus für die Opfer des Islam« in Marxloh errichten zu wollen, ist ein starkes Indiz dafür. Geradezu filmreif hat sich ein »Pro«-Aktivist im Zuge der Hausbesichtigung nach Pöbeleien gegen Anwohner der Moschee kürzlich von der Polizei abführen lassen und dabei geschrien wie am Spieß.
Das »Netzwerk gegen Rechts« ruft zu Protesten gegen die rechtsextremen Provokationen auf. Setzen Sie – wie bereits in den Vorjahren in Köln oder aktuell in Dresden – darauf, die Aufmärsche mittels Massenblockaden zu verhindern?
Wir setzen vor allem auf die Menschen in Marxloh und den umliegenden Stadtteilen.
Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die so genannten Freien Kameradschaften 2005 nach 50 Metern Wegstrecke wieder abmarschieren mussten.
Wenn in Marxloh nun wieder unzählige Menschen auf der Straße sind, Feste, Demonstrationen und Konzerte stattfinden, marschiert hier so schnell kein Rechter durch. Natürlich hoffen wir auch auf tatkräftige Unterstützung von Antifaschisten aus ganz NRW. Und wir sehen uns klar im Kontext anderer antifaschistischer Proteste wie dem zuletzt erfolgreichen Vorgehen gegen die Neonazis in Dresden.
Die NPD kündigte ihren Aufmarsch erst an, als die Rechtspopulisten von »Pro NRW« ihre Pläne bereits veröffentlicht hatten. Welche Konkurrenzen bestehen zwischen den beiden Parteien?
Beide wollen in den Landtag und bezeichnen sich selbst als die jeweilige echte rechte Opposition. Sie verfolgen unterschiedliche Strategien. »Pro NRW« will als bürgerlich-konservativ und irgendwie demokratisch gelten, während die NPD offen nationalistisch und rassistisch auftritt. Deswegen müssen beide Gruppierungen sich ständig voneinander abgrenzen. Dennoch können sie medial mit ihrer Kampagne punkten und sich unter Umständen konsolidieren, was eine reale Gefahr ist.
Nach der Schweizer Volksabstimmung zum Minarettbau diskutieren Neonazis, auch in Deutschland, mit antiislamischer Hetze Politik zu machen. Können sie damit beim Durchschnittsbürger Sympathien zu wecken?
Die Schweiz zeigt, wie schnell so etwas gehen kann. Die Stigmatisierung von Muslimen ist ja auch hierzulande ziemlich fortgeschritten. Ständig ist in Teilen der Medien von »Terrorverdacht« und »Islamisierung« die Rede. Selbst in unserer Lokalzeitung »WAZ« wird die Moschee in einem Kommentar gegen die rechten Provokationen auf einmal völlig haltlos in Verbindung gebracht mit »Bomben islamistischer Terroristen«.
Die Aufmärsche zu stoppen ist nur ein Schritt von vielen. Wir brauchen unter anderem eine auf lange Zeit angelegte Öffentlichkeitsarbeit gegen diese Form der Diskriminierung.
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